Absage ans klassische Ballett

Nederlands Dans Theater 2 im ausverkauften Teo Otto Theater

von Daniel Diekhans

NDT 2 - Sad Case - Foto © Rahi Rezvani

Absage ans klassische Ballett
 
Nederlands Dans Theater 2 im ausverkauften Teo Otto Theater
 
Choreographen: Marco Goecke („Wir sagen uns Dunkles“), Hans van Manen („Simple Things“), Sharon Eyal und Gai Behar („Sara“) sowie Sol León und Paul Lightfoot („Sad Case“; Licht: Lisette van der Linden; Sound: Daan de Boer
Mit dem Ensemble des Nederlands Dans Theater 2:
Tess Voelker, Thalia Crymble, Nicole Ishimaru, Mikaela Kelly, Kiran Bonnema, Jesse Callaert, Kyle Clarke, Charlie Skuy, Auguste Palayer, Emmitt Cawley, Kele Robersom, Austin Meiteen
Musik: Ray Barretto, Alberto Dominguez, Joseph Haydn, Guy Klucevsek & Alan Bern, Augustin Lara, Ori Lichtik, Placebo, Pérez Prado, Alfred Schnittke, Franz Schubert, Trio Los Panchos, Peteris Vasks
 
Den Körper feiert das Nederlands Dans Theater mit Eleganz und exzellenter Technik. „NDT 2“, die junge Kompanie des in Den Haag ansässigen Tanztheaters, gastierte am Mittwochabend in Remscheid vor ausverkauftem Haus. So unterschiedlich die vier Choreographien auch daherkamen – die Begeisterung des Publikums galt ihnen allen. Die Zuschauer  ließen sich auch auf Szenen ein, die das Schöne und Harmonische links liegen ließen.
Eine konsequente Absage an die klassische Ballett-Ästhetik ist Marco Goeckes „Wir sagen uns Dunkles“. Als sei ihnen ein Springteufel in die Körper gefahren, führen die elf Tänzer ihre Beweglichkeit vor. Fließende Übergänge? Fehlanzeige! Brüsk schnellen Oberkörper und Glieder in alle nur denkbaren Richtungen. Jeder Schritt wirkt ausschnitthaft, fragmentarisch. Dazu stößt das Ensemble den Atem aus, als drohe im nächsten Moment die Luft wegzubleiben. Daß es tatsächlich um die letzten Dinge geht, macht die Musik aus dem Off klar. „Don’t die!“ – „Stirb nicht“, fleht Placebo-Sänger Brian Molko. Bei Franz Schubert lockern sich die Körper etwas. Nur die hektischen Atemgeräusche bleiben. Andererseits: Wer atmet, hat sich noch nicht aufgegeben. So gesehen läßt Goecke ein Hoffnungszeichen zu.
 

Wir sagen uns Dunkes - Foto © Rahi Rezvani

Manchmal sind es ja die einfachen Dinge, die für gute Laune sorgen. Bei Choreograph Hans van Manen bilden flotte Akkordeonklänge den musikalischen Rahmen. Zwei Tänzer messen sich in Soli, zwei Tänzerinnen kommen hinzu – und gemeinsam entwickeln sie aus den klassischen Mustern Sprünge und Drehfiguren, die großen Schauwert haben. Eine Science-Fiction-Liebesgeschichte steuert das Choreographenduo Sharon Eyal und Gai Behar bei. Zukunftsweisend sind die aerodynamisch engen Bodies der Tänzer, die hell im Bühnenlicht schimmern. Ihre Hände formen sie zu Herzen. Den Überschwang, den die Liebe auszulösen vermag, machen die Körper sichtbar. Zugleich lassen sie sich vom Elektro-Soundtrack – nicht etwa kühl, sondern pulsierend warm – tragen.
 
Sehr frei lassen sich Sol León und Paul Lightfoot von kubanischem Mambo inspirieren. Den „Hausautoren“ des Nederlands Dans Theater geht es dabei nicht um die Inszenierung von Paartänzen. Mit dicken Make-Up-Strichen im Gesicht und auf den Kostümen tritt ein Tanz-Quintett wie ein Kriegerstamm auf. Lustvoll setzen sie die Details der Big-Band-Begleitung um. Jedes Trompetensignal, jeder Posaunenstoß ist ihnen eine groteske Mini-Choreografie wert. Im besten Sinne theatralisch sind auch die Einlagen. Durch Mitsprechen dekonstruieren sie schmalzige Filmdialoge, äffen Gesang und Gelächter nach. Als die Musik verebbt, scheint die Kraft aus den Körpern zu weichen. Doch schnell stehen die jungen Männer und Frauen wieder wie eine Eins.
 
Weitere Informationen: www.ndt.nl