Ein Schmunzelbuch   Minutennovellen von Helwig Brunner   Es gab einst im legendären Frankfurter Verlag Bärmeier & Nikel eine überaus beliebte Reihe, die sich „Schmunzelbücher“ nannte. Das waren schmale, querformatige Bändchen mit Cartoons und anspruchsvoller heiterer Literatur, die ich auch heute noch gerne zur Hand nehme. Warum erzähle ich Ihnen das? Es ist leicht erklärt: Gelockt vom witzigen Titel „Gummibärchenkampagne“ nahm ich ein ebenfalls einigermaßen schmales, nichtsdestoweniger brillantes Buch in die Hand, das mich nun seit drei Tagen in kleinen Dosen köstlich, witzig und höchst intelligent unterhält. Im Untertitel verspricht es „Minutennovellen“. Helwig Brunner hat diese knackig kurzen, scharf beobachteten und treffsicher geschnitzten Novellchen geschrieben, die stets auf eine delikate Pointe, ein Schmunzeln ja Lacher zulaufen. Er öffnet damit ein ironisches, aber durchaus auch liebevolles Fenster zum Blick in den Kosmos von alltäglichen Skurrilitäten, gar nicht überraschenden Normalitäten, die man aber so vielleicht noch nicht betrachtet hat und zu den Sonderlingen, die unter uns weilen, die wir ja vielleicht selber sind. Helwig Brunners geschliffene Sprache ist purer Genuß, sein Ideenreichtum ein herrlich bunter Strauß, seine stets einem Namen, einem Protagonisten oder einer Heldin zugeschriebenen kleinen Geschichten sind Perlen, die auch beim wiederholten Lesen nichts von ihrem bemerkenswerten Reiz verlieren. Man kann das Buch den Kapiteln „Eigenbrödler“, „Paare“, „Schreibende, Lesende“ oder „Herden“ folgend lesen – man muß es aber nicht. Ebenso bereichernd ist das gelegentlich Hineinblättern und das folgende nach rechts oder links Weiterlesen.   Zwei kleine Kostproben, die der Verlag auf seiner Webseite anbietet und eine von mir ausgewählte möchte ich hier sozusagen als Appetizer an Sie weitergeben:   Tapete Nachdem Willibald ein halbes Leben lang dreimal die Woche beim Chinesen gegessen hatte, konnte er sich wenigstens einen Teil seines größten Wunsches erfüllen und eine Wand seines Wohnzimmers, immerhin eine lange Wand, mit Glückskeksbotschaften tapezieren. Jetzt erst fühlte er sich zu Hause, gerade so, wie er als Kind bei seiner Mutter zu Hause gewesen war, die ihn tagein, tagaus mit wohlmeinenden Ratschlägen umsorgt hatte.   Rendezvous Silvia betrachtete sich zufrieden im Spiegel. Die Haarverlängerung war überzeugend, ebenso die künstlichen Wimpern; fast wie ein Filmstar sah sie nun aus. Die figurformende Unterwäsche verlieh ihr eine verführerische Taille. Nun schob sie noch die Schaumstoffpölsterchen unter den Büstenhalter, ehe sie sich der Prozedur des Schminkens zuwandte. Für ein gelungenes erstes Rendezvous mit Andreas scheute sie keine Mühe. Er war so männlich, so seriös, so erfolgreich; er konnte durchaus den verläßlichen Familienvater und, man mußte realistisch bleiben, späteren Alimentezahler abgeben, den Silvia suchte. Das Wichtigste war, ermahnte sie sich, eine solche Beziehung ehrlich und unverstellt zu beginnen, mit Hauptaugenmerk auf die inneren Werte. Sonst würde es wieder nur eine Bettgeschichte werden   Buchfühlung Wir gehen auf Buchfühlung, lautete der neue Werbeslogan der Buchhandlung, die damit unterschiedliche Kreise von Leserinnen und Lesern als Kundschaft anzusprechen hoffte: die sprachverliebten und die gefühligen, die feinsinnigen und die draufgängerischen, die Haptiker und die Kopflastigen, ja sogar die Besserwisser und Moralisten, die sofort im sozialen Netzwerk Fragen wie diese posteten: ob mit jenem Paragramm, das ja ganz nett sei, mehr Liebe oder mehr Clinch zum Ausdruck gebracht werde. „Das hängt ganz davon ab“, schrieb der Buchhändler zurück, „oder lieben Sie etwa jedes Buch?“   Dieses Buch liebe ich. Ab morgen, 7. Feburar 2020 ist die „Gummibärchenkampagne“ im Handel zu haben. Eine dringende Empfehlung der Musenblätter und mit unserem Prädikat, dem Musenkuß ausgezeichnet.   Helwig Brunner – „Gummibärchenkampagne“ Minutennovellen © 2020 Literaturverlag Droschl, 144 Seiten, gebunden -  ISBN: 9783990590491 18,- € Weitere Informationen: www.droschl.com