Wenn das Wünschen im Konsumwahn endet

„De Fischer un siine Fru“ vom Westdeutschen Tourneetheater a jour gebracht

von Daniel Diekhans

Foto: WTT

Wenn das Wünschen im Konsumwahn endet
 
Westdeutsches Tourneetheater bringt Märchenstoff auf den neuesten Stand
 
„Das Märchen vom Fischer und seiner Frau“. Kindertheater von Kathrin Lange
nach den Brüdern Grimm und Philipp Otto Runge.
Geeignet für Kinder ab fünf Jahren.
 
Inszenierung: Claudia Sowa - Bühne: Peter Strieder - Regieassistenz: Lisa Graf
Besetzung: Björn Lenz (Fiete) - Katrin Mattila (Ilsebill) - Jonas Mayerhöfer (Hochzeitsgast, Händler, Polizist, Prinz) - Alina Rohde (Hochzeitsgast, Händler, Nachbarin)
 
Schon das erste Wort setzt den Ton für das ganze Stück. „Moin!“, grüßt der Fischer von seinem Boot aus in den Saal des Teo Otto Theaters. Sein knallgelber Friesennerz unterstreicht es: Dieses „Märchen vom Fischer und seiner Frau“ spielt im Jetzt und nicht in einer fernen Vergangenheit. Zur Inszenierung von Claudia Sowa und dem Westdeutschen Tourneetheater (WTT) gehört auch, daß sie – anders als die literarischen Vorlagen aus dem 19. Jahrhundert (1809 hat es Achim von Arnim, der es zuvor von Philipp Otto Runge erzählt bekam, den Brüdern Grimm weitererzählt) – die Vorgeschichte des Märchens gleich mitliefert.
Also weicht die maritime Eingangsszene, bei der auf- und absteigende Stoffplanen das Meer darstellen, einer hell ausgeleuchteten Küstenlandschaft. Da sieht man Fischer Fiete und seine Ilsebill zur Hochzeit schreiten. Die Gäste reden – mit unverkennbar norddeutschem Einschlag – von einer modernen Ehe, wenn sie den Brautleuten versichern: „Ihr seid verheiratet, solange wie ihr das beide wollt.“
 

v.l.; Alina Rohde, Katrin Mattila, Björn Lenz, Jonas Mayerhöfer - Foto: WTT

Was sich gleich geblieben ist: Fiete muß hinaus aufs Meer, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Dort geht ihm der Butt, der jeden Wunsch erfüllen kann, ins Netz - und umgekehrt gehen Fiete und Ilsebill den verlockenden Versprechungen des Butts ins Garn. Durch den sprechenden Fisch, der sich mit der Wunscherfüllung beim Fischer freikauft, bekommt das junge Paar „Herd, Spüle, Waschmaschine“ und auch sonst alles, was die schöne neue Warenwelt zu bieten hat. Mehr noch: Ilsebill darf jede beliebige Rolle ausprobieren – vom „Oberboß“ in Uniform bis zum Popstar. Wenn Katrin Mattila im Glitzerfummel auftritt und vom Publikum im Saal bejubelt wird, ist das eine schöne Gelegenheit für alle vier Schauspieler, ihre Gesangs- und Tanzkünste vorzuführen.
Daß der Fischer und seine Frau dem Konsumwahn verfallen, ist – daran läßt die Inszenierung keinen Zweifel – nicht bloß Ausdruck individueller Schwächen. Die kapitalismuskritische Spitze ist nicht zu übersehen und geht im Stück gegen die von Jonas Mayerhöfer und Alina Rhode gespielten Händler, die das große Geschäft wittern. Vor diesem Hintergrund wirken Björn Lenz und Katrin Mattila umso sympathischer – und werden denn auch mit kräftigem Applaus belohnt.
 
Daß man auch mit einem schmalen Geldbeutel zaubern kann, zeigt die Ausstattung von Peter Strieder. Er braucht nur ein bißchen Phantasie und Regenschirme in unterschiedlichen Größen, um so unterschiedliche Details wie Sonne, Mond und Meereswellen auf die Bühne zu bringen. Sogar der Butt ist auf Schirmstoff gut getroffen.
 
Weitere Informationen: http://www.wtt-remscheid.de