Eindringlich. Eindrücklich. Perfekt.

Tine Høeg – „Neue Reisende“

von Frank Becker

Eindringlich. Eindrücklich. Perfekt.
 
Nicht zuviel, nicht zuwenig. - Tine Høegs Debütroman
 
Seit ich vor ein paar Jahren die wunderbare Autorin Helle Helle entdeckt habe, schaue ich mit Spannung auf Neuerscheinungen, am liebsten auf Debüts des dänischen Buchmarktes. Vor etwas mehr als einem Jahr begeisterte mich Thøger Jensen mit seinem großartigen Roman „Ludwig“, und nun ist es Tine Høeg, die mit „Neue Reisende“ („Nye Rejsende") 2017 in Dänemark ihren ersten Roman vorgelegt hat. In wenigen Wochen (ab 7. Februar) wird das Buch beim Literaturverlag Droschl auch im deutschen Sprachraum zu haben sein. Wen wundert es – es wurde 2017 in Kopenhagen mit dem Debütantenpreis der Buchmesse Bogforum prämiert. Im Titel vielleicht etwas zu einfach übersetzt („Nye Rejsende…“ ist eine Standard-Durchsage der Regionalbahn, etwa wie im Deutschen „Noch zugestiegen…“), ist Gerd Weinreich ansonsten eine fesselnde Übertragung ins Deutsche gelungen.
 
Tine Høegs „Nye Rejsende“ läßt eine wunderbare neue Facette im Bild der jungen dänischen Literatur aufleuchten. Die Geschichte einer jungen Lehrerin, die sich auf ihrer ersten Eisenbahnfahrt im Pendlerzug von Kopenhagen zum neuen Arbeitsplatz am Gymnasium in Næstved in eine atemlose, hungrige Liebesaffäre mit einem zehn Jahre älteren, verheirateten Mann verliert, reißt im großartigen Stakkato der einzeln abgefeuerten Sätze unmittelbar und von der ersten Seite an mit, macht den Leser auch durch ihre aufregende Gestaltung ebenfalls hungrig.
Parallel dazu erleben wir ihren holperigen Start ins Berufsleben, dem sie noch nicht gewachsen ist, in dem sie im Versuch, Orientierung und pädagogische Routine zu finden, zwischen Schülern und Lehrern schlingert. Wir lernen ihr bürgerliches Familienleben, ihre Diskurse mit Schülern, ihre erotischen Ausbrüche, ihre harschen Abstürze, ihre fiebernde Liebe und ihre tiefen Sehnsüchte kennen.
 
Tine Høeg hält sich nicht mit Füllmaterial, ausschweifenden oder langatmigen Orts-, Personen, oder Umstandsbeschreibungen auf. Realistisch, markant, konkret faßt sie die Hitze, das Tempo und das Drama dieser von August bis Dezember dauernden Beziehung, mit zwei symbolträchtigen Orten als Pole, des zugleich neuen, formenden Lebensabschnitts unserer Protagonistin in für sich stehenden Sätze, Satzteile oder Worte und in sprachliche Salven, läßt Atem spürbar, Bilder sichtbar, Eindrücke hörbar und Schmerz fühlbar werden. Nicht zuviel, nicht zuwenig. Auf den Punkt gebracht. Eindringlich. Eindrücklich. Perfekt.
 
Tine Høeg, geboren 1985, studierte Dänisch und Philosophie und lebt in Kopenhagen. Sie lieferte Beiträge für zahlreiche Zeitschriften und Anthologien und hat einen schmalen Band mit Gedichten sowie ein Hörspiel veröffentlicht. Außerdem leitete sie Workshops zu kreativem Schreiben.
Das Buch erscheint am 7. Februar 2020 im Literaturverlag Droschl.
Von den Musenblättern sehr empfohlen und als erstes Buch des Jahres 2020 mit unserem Prädikat, dem Musenkuß ausgezeichnet.
 
Tine Høeg – „Neue Reisende“
(Nye Rejsende) Roman - Aus dem Dänischen übersetzt von Gerd Weinreich
© 2020 Literaturverlag Droschl, 200 Seiten Klappenbroschur , 13 x 21 cm - ISBN: 9783990590461
19,- €

Weitere Informationen: www.tinehoeg.net  -  www.droschl.com