Dinge, die die Welt braucht

Vittorio Magnago Lampugnani – „Bedeutsame Belanglosigkeiten“

von Frank Becker

Dinge, die die Welt braucht
 
Stadtarchitektonische Elemente des öffentlichen Lebens
 
Nun ja, Telefonzellen gehören zumindest in Deutschland mittlerweile der Vergangenheit an. Sie gehörten jedoch bis dato hier wie überall auf der Welt zu Straßenbild und tun es anderswo noch heute. Irgendwann werden sie auch dort ebenso verschwunden sein wie hierzulande aus Kostengründen die öffentliche Toilette, der Trinkbrunnen oder die weithin sichtbare Stadtuhr. Man kann es vielleicht an einem Beispiel festmachen: Die Stadt Wuppertal hat in jahrelanger, aufwendiger Bauzeit einen neuen zentralen Busbahnhof gebaut, jedoch weder eine Uhr angebracht, noch eine Toilette für die wartenden Fahrgäste bereitgestellt. Von einem Wasserspender wollen wir gar nicht reden. Aber kommen wir zu dem Buch, das ich Ihnen heute hier vorstellen und besonders ans Herz legen möchte.
 
Der italienische Stadtwissenschaftler und Architekturhistoriker Vittorio Magnago Lampugnani hat sich mit all den scheinbar unbedeutenden „kleinen Dingen“ im Stadtraum beschäftigt, die uns auf Schritt und Tritt begegnen, die wir für wohl nicht besonders erwähnenswert halten, ohne die aber das Gemeinschaftsleben nicht mehr denkbar ist, ja kaum reibungslos funktionieren könnte. Kluge Stadtplaner haben sie entwickelt, damit Infrastruktur und Zusammenleben im Stadtbereich klappen, damit die Orientierung und die öffentliche Ordnung in sanfte, angenehme Bahnen gelenkt werden. So wurden Straßenlaterne, Gullydeckel und Ruhebank, Normaluhr, gepflasterter Gehweg und Telefonzelle, Verkehrsampel, Straßenschild und Hausnummer zu nützlichen Standards des städtischen Alltags. Öffentlicher Trink-Brunnen, Kiosk, Abfallkorb und das Pissoir wurden unverzichtbar für die rasche Ver- und Entsorgung bürgerlicher Bedürfnisse. Nichts davon ist heute aus dem Stadtbild wegzudenken.
 
Vittorio Magnano Lampugnani hat die Geschichte dieser und einiger anderer unverzichtbarer Objekte im Stadtraum betrachtet, hat 22 repräsentative herausgesucht und erzählt uns ihren Werdegang: beginnend mit ihrem ersten Auftreten (oft schon in der Antike), ihrer Vernachlässigung (meist im Mittelalter), ihrer neuen Blüte oder ihrem erstmaligen Erscheinen (in der Stadt der Neuzeit) bis hin zu ihrer Verlotterung und Verhäßlichung in der Gegenwart. Oder er geht ihrem kurzen Leben nach wie oben erwähnt dem der Telefonzelle, die, kaum erfunden, schon wieder durch technische Neuerungen zurückgedrängt wurde.
Das hat er sachlich fundiert und unterhaltsam, begleitet von zahlreichen Abbildungen aus Italien und Deutschland, Frankreich und England, der Schweiz und Österreich getan. Er gibt kenntnisreiche Einblicke in und ermöglicht Blicke auf bisher vielleicht von vielen unterschätzte Elemente der Stadt-Architektur und fügt amüsante Anekdoten aus der Geschichte des Städtebaus bei.
„En passant erzählt Lampugnani auch, was eine Stadt schön, individuell und unverwechselbar macht. Und was wir heute manchmal leichtfertig aufs Spiel setzen“, schreibt der Wagenbach Verlag dazu.
Ein wichtiges, äußerst lesenswertes und sehr unterhaltsames Sachbuch, das jeden von uns angeht. Von den Musenblättern sehr empfohlen.
 
Vittorio Magnago Lampugnani – „Bedeutsame Belanglosigkeiten“
Kleine Dinge im Stadtraum
© 2019 Verlag Klaus Wagenbach, 192 Seiten, Großformat, Klappenbroschur, Mit vielen s/w-Abbildungen - ISBN 978-3-8031-3687-9
30,- €

Weitere Informationen: www.wagenbach.de