Ein besonderes Buch über eine besondere Stadt

Holger Klaes (Fotografie), Gisela Schmoeckel (Text) – „Wuppertal - Portrait einer Stadt“

von Frank Becker

Ein besonderes Buch
über eine besondere Stadt
 
Holger Klaes und Gisela Schmoeckel
stellen Wuppertal vor.
 
Bücher über Städte füllen die Regale lokaler Buchhändler. Auch über Wuppertal gibt es das eine oder andere. Oft ganz flott gemacht, oft aber auch routiniert und etwas beliebig an der Oberfläche bleibend. Jetzt aber gibt es eines, das sich mit Fug und Recht den Orden an die Brust heften kann, die Stadt so zu zeigen wie sie heute und ohne Schnickschnack wirklich ist.
Das Team aus dem Fotografen und der Autorin, das hinter diesem besonderen Buch steckt, ist unseren Lesern gewiß noch von dem hervorragenden Band „Talsperren im Bergischen Land und Sauerland“ bestens bekannt: Holger Klaes und Gisela Schmoeckel.
 
Auf 172 Seiten stellen die beiden ein Wuppertal vor, das ich nach der Lektüre sofort besuchen würde, wenn ich nicht selbst hier schon seit vielen Jahren lebte. Die Auswahl der Motive für die ca. 160 Fotos und ihre Zusammenstellung zeigt, daß hier ein Konzept geschaffen wurde, das bewußt von den üblichen Wegen abweicht, aber dennoch das typische und touristisch Interessante nicht ausklammert. Und das Buch erscheint in einer jubiläumsträchtigen Zeit: 2019 jährt sich der Zusammenschluß von Barmen, Elberfeld, Vohwinkel, Cronenberg, Ronsdorf, Langerfeld und Beyenburg zur Stadt Wuppertal zum 90. Mal, 2019 wurde hier intensiv der aus Elberfeld stammenden Dichterin Else Lasker-Schüler anläßlich ihres 150. Geburtstag gedacht und 2019 jährt sich der 50. Gründungstag der Bergischen Museumsbahnen an der Kohlfurter Brücke, des kleinsten funktionierenden Straßenbahnbetriebs in ganz Deutschland. Wir zeigen Ihnen die Ansicht einer Bahn in Betrieb. Wer möchte da nicht mitfahren?
 
 
Die Bergische Museumsbahn in der Kohlfurt - Foto © Holger Klaes

Na, und wem das noch nicht genügt, sei darauf hingewiesen, daß wird auf der Schwelle zum Engels-Jahr stehen; schließlich wurde der Begründer des Wissenschaftlichen Sozialismus und Mitautor des Kommunistischen Manifests, Friedrich Engels, am 28. November 1820 in Barmen geboren. Das wird ganz bestimmt ein Pilgerjahr für dessen Anhänger aus aller Welt.
Für uns Grund genug, in die bescheidene Auswahl unserer Beispielbilder eine stimmungsvolle Nachtaufnahme der „Engelshäuser“ mit der einst mächtig umstrittenen Skulptur „Die starke Linke“ von Alfred Hrdlicka aufzunehmen. Blättert man eine Seite weiter, begegnet man einem nachdenklichen Engels, wie ihn Zeng Chenggang gesehen hat.
 

Der Engelsgarten mit den Engels-Häusern und Alfred Hrdlickas „Die starke Linke“ - Foto © Holger Klaes

Nur ein paar Schritte entfernt vom Engelsgarten, so heißt der kleine Park mit den beiden Skulpturen, liegt in einem Hinterhof verborgen der dank seiner Schauspieler und seines rührigen Intendanten noch immer beachtliche Rest des einst großen Wuppertaler Schauspiels. Wußten Sie daß in den 1960ern die in den 1990ern von der Kulturpolitik kaputtgesparten Wuppertaler Bühnen zu den zehn besten Häusern Deutschlands zählten? Dankenswerterweise haben Holger Klaes und Gisela Schmoeckel das „Theater am Engelsgarten“ ins Buch aufgenommen. Zu sehen ist eine Szene aus „Das Mißverständnis“, einer Camus-Inszenierung, die vor nicht einmal zwei Monaten dort Premiere hatte und noch auf dem Spielplan steht. Aktueller geht es wirklich nicht.
 

Albert Camus „Das Mißverständnis“, v.l.: Konstantin Rickert, (Schaufensterpuppe), Julia Wolff, Lena Vogt, Hans Richter - Foto © Holger Klaes

Nach den Stadtteilen und -regionen geordnet erwartet den Leser ein besonnter Spaziergang durch Wuppertal, seine Zentren - es gibt mehrere - und seine Ränder, der zeigt, daß diese Stadt nicht grundlos für seinen Naherholungswert berühmt ist. Von überall kann man in höchstens zehn Minuten im Grünen sein. Wir erwandern die herrlichen Parks, von denen es viele gibt, als Beispiel haben wir den für seine üppigen Rhododendren bekannten Vorwerk-Park ausgesucht, besuchen pittoreske Türme, prächtige Gründerzeit-Villen, bergisch-bürgerliche Fachwerk-Architekturen, bildschöne Brunnen und Skulpturen im öffentlichen Raum (Bernhard Hoetgers Gerechtigkeitsbrunnen ist ein prächtiges Beispiel), Museen voller Kunstschätze – und nicht zu vergessen viele der endlos erscheinenden Treppen, die für Wuppertal und seine Topographie typisch und wichtig sind. Leider läßt die Stadt etliche davon offenen Auges verkommen, eine Schande! Selbstverständlich begegnet uns immer wieder auch die Schwebebahn, einzig in der Welt und einst ein Meisterwerk der Ingenieurkunst. Jahrelang mußte sie für einen modernisierenden Umbau still stehen, doch seit sie technisch aufgerüstet und modernisiert wurde, fährt sie wieder. Manchmal jedenfalls. Dafür aber langsamer, in unregelmäßigem Zeittakt und stets überfüllt. Viele Wuppertaler hätten die alte Bahn gerne wieder, denn Verlaß ist auf die neue nicht.
 
 
Rhododendren im Vorwerk-Park - Foto © Holger Klaes

Die Kunsthistorikerin Gisela Schmoeckel begleitet jedes Bild mit maßgeschneiderten Texten, die Fakten, Daten und historische Hintergründe kompakt zusammenfassen. Auch das macht den Unterschied zu anderen Büchern dieser Art aus. Hier wird man nicht mit einem Foto und einer marginalen Unterschrift allein gelassen. Das weckt Interesse und bietet sogar dem Wuppertaler neue Einblicke.
Es ist eines der schönsten Bücher, die bisher über Wuppertal gemacht worden sind – und zweifellos das beste und aktuellste, das derzeit auf dem Markt ist. Ein ideales Geschenk für Einheimische wie für Freunde, denen man die Stadt vermitteln möchte und das Souvenirbuch schlechthin für Gäste. Eine Empfehlung der Musenblätter.


Der Gerechtigkeitsbrunnen von Bernhard Hoetger auf dem Platz der Republik - Foto © Holger Klaes
 
Holger Klaes (Fotografie), Gisela Schmoeckel (Text) – „Wuppertal - Portrait einer Stadt“
© 2019 klaes-regio Fotoverlag, 172 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag, Fadenheftung, 25,5 x 25,5 cm – Texte deutsch und englisch -  ISBN: 978-3-96535-028-1
24,80 €
 
Weitere Informationen: www.klaes-regio.com