Eine dröhnende Geschichte, auch mit darstellerischer Spannung

„Le Mans 66 – Gegen jede Chance“ von James Mangold

von Renate Wagner

Le Mans 66 – Gegen jede Chance
(Ford vs Ferrari - USA 2019)

Regie: James Mangold
Mit: Matt Damon, Christian Bale, Tracy Letts, Josh Lucas u.a.
 
Was ist aufregender? Die Autos selbst (ein Mythos für sich) oder die harten Männer, die sie bis zu Höchstleistungen fahren? Beides – die ungebrochene Faszination der Formel 1 beweist es. Und auch im Kino ist das Thema von ungebrochenem Reiz. Wenn man es nicht zu sehr auswalzt, was bei diesem satte zweieinhalb Stunden langen Film allerdings der Fall ist.
Im amerikanischen Original nannte man ihn lapidar „Ford vs Ferrari“, weil natürlich vor allem „Ford“ dort ein Begriff ist. In Europa hielten wie es eher mit Ferrari, aber auf „Le Mans“ und das legendäre Rennen von 1966 zu verweisen, schien offenbar verkaufsträchtiger. „Gegen jede Chance“ – ja, wie sollte der US-Autogigant Ford den Marktführer Ferrari bei den „24 Heures du Mans“ im nordwestlichen Frankreich besiegen?
Und doch ist es geschehen, die Geschichte ist historisch, wenn sie sich auch wohl nicht ganz so kinogerecht abgespielt hat wie in diesem Streifen von Regisseur James Mangold, der quasi den Geruch von Motoröl, der hörbar das Knirschen von Reifen und Heulen der Motoren und letztendlich jede Menge von Testosteron versprüht: A man’s gotta do what a man’s gotta do, nicht wahr?
 
Es beginnt leise tragisch, wenn sich der erfolgreich Rennfahrer Carroll Shelby (Matt Damon) vom Arzt eine wirklich schlechte Nachricht abholen muß. Sein Herzleiden verbietet ihm, seine Karriere fortzusetzen. Schnitt: Henry Ford II. (Tracy Letts), der ein unguter Kerl ist und spürbar darunter leidet, nicht der Erste zu sein wie der legendäre Großpapa, verlangt von seiner Belegschaft „Ideen“, die sein Unternehmen in Schwung bringen sollen. Wenn er dann versucht, das finanziell angeschlagene Ferrari-Unternehmen zu kaufen, erleidet er eine wirklich peinliche Niederlage. Die Italiener können die Amerikaner wirklich nur verächtlich abweisen – der Nationalstolz auf beiden Seiten ist schwer verletzt.
Die Rache? Man kennt die Amerikaner, „Competition“, der Wettbewerb, liegt ihnen im Blut. Dafür will man Ferrari aus seiner singulären Stellung in der Welt der Autorennen verdrängen. „Ich möchte die besten Ingenieure und Fahrer, egal, was es kostet, wir bauen einen Rennwagen, wir begraben die Italiener in Le Mans, und ich werde dabei sein, mir das anzusehen“, schäumt Mr. Ford.
Und das ist die Stunde von Carroll Shelby, der ins Renn-Business gegangen ist und sich auch als Konstrukteur neu erfunden hat. Mit dabei: der störrische, aber als Mechaniker geniale Rennfahrer Ken Miles (Christian Bale). Das geht nicht konfliktfrei ab, und weil es ein fast reiner Männerfilm ist (Gattin und Sohn von Miles sind quasi als Familien-Faktor eingesetzt, spielen aber kaum eine Rolle), muß es auch die Männerklischees geben: Da werden Differenzen auch mit dem klassischen Kinnhaken und darauf folgender Prügelei ausgetragen, und offenbar fühlt man sich – A man’s gotta do und so weiter – erst so richtig wohl, wenn man sich zusammen geschlagen hat. Dann kann man auch friedlich ein Bier (oder eine Coke) mit einander trinken und weiter machen.
 
Sie schrauben allerdings lang herum an ihrem Rennwagen für Ford, der allerdings (eine köstliche Szene) einen hysterischen Anfall zwischen Terror und Seligkeit bekommt, als er in dem Flitzer bei Höchstgeschwindigkeit mitfahren durfte. Es gibt viele Diskussionen und auch pathetisches Gerede, einiges an Intrigen und Ärgernissen, bis dann erst die letzte Stunde des Films dem Rennen gehört. Da toben die Renngeräusche, das ist wahre Männerseligkeit (nimmt man als weiblicher Betrachter des Geschehens einmal an). Ja, und gewonnen haben sie auch.
Nicht ganz allerdings, denn Ken Miles starb wirklich kurz nach dem Rennen bei einem Unfall. Wenn Shelby dann dessen Sohn besucht… nun ja, man weiß, wie so etwas geht. Sie sind recht tapfer. „Er war ihr Freund“, sagt der Sohn, und man denkt an die Kräche der beiden, wenn Shelby bestätigt, ja, sie seien Freunde gewesen. Allein im Auto kommen ihm die Tränen. Auch harte Männer weinen.
Aber am Ende geht es um Autos, um die Logistik der Konstruktion, um Geschwindigkeitsrausch, um Wettbewerb… und nein, niemand hat sich in den Sechziger Jahren über Macho-Ideologien den Kopf zerbrochen, und schon gar nicht über Umwelt und solche Kleinigkeiten. James Mangold hat den Film aus seiner Zeit heraus inszeniert, und Matt Damon, oft mit Cowboy-Hut und erzwungener Gelassenheit, Christian Bale mit ungeheurer Verbissenheit und Tracy Letts brillant als der eisern entschlossene Henry Ford II., geben ein perfektes Trio ab, diese dröhnende Geschichte mit jeglicher darstellerischer Spannung aufzuladen. Mit 100 Millionen Dollar Budget ist man angetreten. Sie werden wieder herein kommen. Mindestens.
 
 
Renate Wagner