Die einzige korrekte Art, einen Kriegsfilm zu drehen

„Midway“ von Roland Emmerich

von Renate Wagner

Midway – Für die Freiheit
(Midway - USA, China 2019)

Regie: Roland Emmerich
Mit: Woody Harrelson, Ed Skrein, Dennis Quaid, Patrick Wilson, Luke Evans u.a.
 
Lange Zeit waren Kriegsfilme gar nicht populär. Sicher, in den Fünfziger, Sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts haben die Amerikaner ihre Schlachten und Triumphe des Zweiten Weltkriegs auf die Leinwand gebracht. (DaßVietnam ihnen nicht zur Ehre gereichte, haben sie ja bald bemerkt…) Und dann? Krieg und Schlachtenlärm sind immer ein heikles Thema.
Und dennoch scheint es neuerdings wieder zuzulegen – die Briten verfilmten Churchills schwerste Stunde und „Dünkirchen“. Und dann kommt ein Deutscher – allerdings mit Hollywood-Karriere – und dreht ihnen die Triumphstory um „Die Schlacht von Midway“, die bekanntlich vom 4. bis zum 7. Juni 1942 rund um die Midway-Inseln bei Hawaii stattfanden und das Gesicht des Pazifik-Krieges verändert haben. Waren die Japaner bis dahin drückend überlegen, haben sie sich von der Niederlage, die ihnen die Amerikaner dort zufügten, nie mehr erholt.
Anfangs ging man ja noch zivilisiert miteinander um – bevor der Krieg in Europa begonnen hat. Aber schon da hört der Nachrichtenoffizier Edwin Layton (eine herausragende Leistung von Patrick Wilson) aus den Worten des hohen japanischen Würdeträgers Yamamoto Isoroku (Etsushi Toyokawa) die Drohung heraus, daß es zu einem Krieg kommen könnte. Aber die Amerikaner sind völlig überrascht, als im Dezember 1941 der Angriff auf Pearl Harbour stattfindet – und der Kinobesucher wird erstmals mit einer Armada von Flugzeugen konfrontiert, die die denkbar größte Zerstörung anrichten. Von da an herrscht Krieg.
 
Roland Emmerich inszeniert diesen Krieg zu Lande, mehr noch zu Wasser und am meisten in der Luft mit der Brillanz eines herausragenden Kunststücks, manches erscheint fast wie eine Symphonie der hoch ästhetisierten Gewalt, wenn man mit den Fliegern über Schlachtschliffe, gegen feindliche Bomber und inmitten von unaufhörlichen Explosionen unterwegs ist, der Lärm der Geschützte und das Krachen der Explosionen wie ein Teil der Filmmusik, den die Österreicher Harald Kloser und Thomas Wanker enorm pompös beigesteuert haben.
Dennoch: Emmerich hat eindeutig kein Heldenepos gedreht. Gewiß, er interessiert sich für die Menschen, aber weder der verantwortliche Admiral Chester Nimitz (man hätte einem hier weißhaarigen Woody Harrelson absolut nicht zugetraut, daß er so zurückhaltend und souverän agieren kann), noch der klassische Draufgänger des Geschehens gerieren sich pathetisch (eben war Ed Skrein noch mit Angelina Jolie bitterböse im Hexenland unterwegs, hier mischt er wilden Ungestüm des lustvollen Fliegers mit unpathetischem Idealismus, für sein Land zu kämpfen). Man kennt die Klischees dieser Art von Filmen, gleicherweise in Figuren, Aktionen wie den tiefsinnigen One-Linern, mit denen oft agiert wird. Sicher, Dennis Quaid oder Luke Evans (beide auf Anhieb gar nicht zu erkennen, so sehr hat man sie optisch verändert) sind fraglos stark, aber wer da seinen Job macht, lebt und auch tragisch stirbt, tut es nicht in Heldenpose. Mit einem Wort – weder amerikanischer Hurra-Patriotismus noch das bekannte Zerrbild vom bösen Japaner werden bedient.
Gewiß, man sitzt mit den Soldaten unverhältnismäßig lang in ihren Flugzeugen, darf hautnah „Krieg“ miterleben (wie es möglich ist, ihn dermaßen perfekt aus dem Computer zu holen, ohne daß man an der Echtheit zweifeln würde, ist ein Meisterstück für sich), aber der Handlungsfaden (Drehbuch: Wes Tooke) spinnt sich so durch das Geschehen des halben Jahres zwischen Pearl Harbour und Midway, daß man an strategischen Überlegungen teilnehmen kann. Wie schwer die „Intelligenz“-Arbeit in einer Welt ohne Computer war (wo man ins Auto springen mußte und die getippten Erkenntnisse der Spionage-Abteilung möglichst schnell ins Hauptquartier zu bringen), lernt man an diesem Film sich vorzustellen. Und man muß nicht nur – ohne dazu besonders aufgefordert zu werden – den unendlichen Mut der Männer in den Flugzeugen bewundern, sondern auch den Weg der Entscheidungen, der ja voll logischer Zweifel ist, da man ja nur vermuten, aber nicht wissen kann, wie der Gegner denkt und was er plant. Sich auf Midway zu konzentrieren, hätte ja auch völlig falsch sein können – doch es war die richtige Idee, die Falle wurde gelegt und schnappte zu.
 
Der japanische Konteradmiral Tamon Yamaguchi (Tadanobu Asano) ging mit seinem von den Amerikanern zerbombten Schiff unter, wie es die Ehre verlangte, rettete aber seine junge Besatzung. Und die Amerikaner in Emmerichs Film brechen nicht in Jubel aus, sondern denken an die Toten. Was ja, wenn man es genau nimmt, die einzige korrekte Art ist, einen Kriegsfilm zu drehen… auch wenn man nicht umhin kommt, ihn als pompöse „Unterhaltung“ zu nehmen.
 
 
Renate Wagner