Das gab´s nur einmal…

Henning Jost – „Das alte Berlin in Farbe“

von Frank Becker

Das gab´s nur einmal…
 
...so wird´s nie wieder
 
Als Berlin 1945 in Folge des durch die Schuld der Nationalsozialisten und ihres irrwitzigen Führerglaubens im Zweiten Weltkrieg, wie auch andere große Städte des Reichs, in Trümmer gesunken war, gab es nur noch Erinnerungen an die einst wunderschöne Hauptstadt. Die bestanden überwiegend aus Schwarz-Weiß-Fotografien in Archiven und privaten Fotoalben. Der leidenschaftliche Historiker Henning Jost sammelt alte Farbfotografien und Postkarten, aus deren Bestand er bereits andere Bücher über das Bild deutscher Städte von gestern herausgegeben hat.

Nun wartet er mit einem Band über das Berlin von gestern auf, den er wiederum mit Stücken überwiegend aus seinem eigenen Archiv gestaltet hat. Die Bilder aus einer besseren, blühenden Zeit zeigen einmal mehr, welch großen städtebaulichen und architektonischen Verlust die Zerstörung Berlins neben dem weit tragischeren Verlust von Zigtausenden Menschenleben im Bombenhagel erlitten hat. Auf den alten Ansichten zu sehen, was nicht mehr zurückgeholt werden kann, muß jedem Leser, jeder Leserin, zumal solchen mit Wurzeln in Berlin, auch 75 Jahre danach Tränen des Kummers und des Zorns in die Augen treiben.
 
Was allerdings massive Kritik verdient, ist der Umstand, daß Verlag und Autor in Zeiten wieder aufkommenden Rechtsradikalismus durch neo-nationalistische Gruppierungen und wieder entstehendem Antisemitismus von Rechts auf neun Seiten, also nahezu zehn Prozent der Seitenzahl bildbeherrschend nationalsozialistische Symbole und Fahnen sowie Adolf Hitlers Arbeitszimmer zeigen. Das hätte nicht sein müssen, ja nicht sein dürfen. Man kann Geschichte nicht ausklammern, muß dieses Kapitel aber nicht derart bunt plakatieren. Das hat trotz der übrigen 90 % unsere Negativ-„Auszeichnung“ verdient, den Musenblattschuß.
 
Henning Jost – „Das alte Berlin in Farbe“
© 2019 Wartberg Verlag, 95 Seiten, 17 x 15,5 cm, englisch/deutsch – ISBN: 978-3-8313-3289-2
12,- €
Weitere Informationen: www.wartberg-verlag.de
 
Der Wartberg Verlag, den wir beileibe nicht in die „rechte Ecke“ stellen und der zahllose verdienstvolle Bildbände über die jüngere Geschichte hereausgegeben bzw. im Programm hat, bittet darum, seine Sicht zu dem hier harsch kritisierten Band zu veröffentlichen. Dem kommen wir gerne nach:

Sehr geehrter Herr Becker,

Ihre Rezension zu unserem historischen Bildband hat uns sehr schockiert! Der mitschwingende Vorwurf, rechtsnationale Ideologien zu verharmlosen, wiegt schwer und ist nicht gerechtfertigt.
Im Fokus unseres Bildbandes steht das Stadtbild Berlins vor der Zerstörung. Das Buch hat dokumentarischen Charakter, die Texte sind bewusst sachlich beschreibend.
Dass auf knapp 10 % der Bilder nationalsozialistische Symbole zu sehen sind, ist nicht verwunderlich, denn naturgemäß wurde in der Hauptstadt zwischen 1933 und 1945 mehr und öfters beflaggt (zumal zur Olympiade 1936, zum Stadtjubiläum 1937, ...) als in anderen deutschen Städten, insbesondere an zentralen Plätzen und vor repräsentativen Gebäuden. Die damals noch seltenen Farbfotografien wurden grade an solchen Orten und zu besonderen Anlässen gemacht, da sie sehr teuer und aufwendig waren. Es gibt nur wenige originale Farbfotografien (nicht nachträglich kolorierte) und von manchen Motiven sind sie nur begrenzt oder gar nicht  vorhanden. Eigentlich ist es fast verwunderlich, dass unser Autor so viele Farbfotografien (über 90 %) zusammengetragen hat, die keine Symbole der 12-jährigen Hitler-Diktatur zeigen (denn 70 % der Bilder im Buch stammen aus dieser Zeit).
Wir haben „dieses Kapitel nicht bunt plakatiert“ – wie Sie schreiben –, also nicht besonders hervorgehoben und in den Fokus gestellt. In einem Farbbildband stechen die rot beflaggten Plätze, Straßen und Gebäude aber natürlich ungleich mehr hervor als in Schwarz-Weiß-Aufnahmen.
Und wie Sie selber sagen, darf man Geschichte nicht ausblenden!
Wir, Verlag und Autor, fühlen uns durch Ihre Kritik in eine rechte Ecke gedrängt, in der wir nicht stehen, aus der wir nicht kommen, in die wir nicht wollen. Keineswegs ist es unsere Absicht rechtsnationale Ideale zu verbreiten oder zu verharmlosen.
In Zeiten des aufkommenden Rechtsradikalismus muss man auch vorsichtig mit derartiger Kritik sein und nicht alles ideologisieren.
Ich bitte Sie daher um eine Richtigstellung.
 
Mit freundlichen Grüßen
i.A. Dörte Rienäcker
(Lektorin)