...und Udo hat die Musik dazu gemacht

„Ich war noch niemals in New York“ von Philipp Stölzl

von Renate Wagner

Ich war noch niemals in New York
(Deutschland 2019)

Regie: Philipp Stölzl
Mit: Heike Makatsch, Moritz Bleibtreu, Katharina Thalbach,
Uwe Ochsenknecht, Michael Ostrowski, Pasquale Aleardi u.a.
 
So bonbonfarben, so gewaltsam lustig, so knüppeldicke sentimental – hoppla, das hat man ja gewußt. Man geht ja nicht mit cineastischen Ansprüchen in ein Udo-Jürgens-Musical. Schließlich weiß man aus eigener Live-Erfahrung, was einem bevorsteht. Damals, 2010, sah man im Raimundtheater, was 2007 in Hamburg kreiert worden war: Gabriel Barylli hatte für „Ich war noch niemals in New York“ als Autor eine Menge Songs von Udo Jürgens, der damals noch ein unerschütterlich aktiver Spät-Siebziger war, so zusammengestoppelt, daß man sie in eine „traumschiffartige“ Handlung pressen konnte und alle paar Minuten Musik und Tanz ausbrachen. Das hatte auf der Bühne einen eigenartigen Nostalgie-Reiz.
Daß es außerhalb des Fernsehens dafür noch ein Publikum geben könnte, hätte man bezweifelt. Aber vielleicht haben deutsche Produzenten die Erfolgsgeschichte von „Mamma Mia“ ins Auge gefaßt und gedacht: Das können wir auch. Und da fiel ihnen verspätet der Udo-Hit ein. Zumindest haben sie von den Amerikanern ein Erfolgsrezept übernommen: Eine Starbesetzung muß es schon sein. Und tatsächlich – das hilft.
 
Wenn man sich richtig erinnert, lief die Musical-Handlung etwas anders, aber Autor Barylli ist beim Film ausgebootet. Man hat zwar die Grundstruktur behalten, doch eine Menge geändert – nicht, daß das nicht völlig egal wäre. Die „Heldin“ Lisa, die zickige Fernsehdiva, ist geblieben, ihr Zukünftiger Axel ist jetzt eine Art von „Wahrscheinlichkeitsrechner“ (gibt es das überhaupt?) mit Kind, das ein wenig zurückgedrängt wurde, um nicht alle Pointen zu klauen wie auf der Bühne.
Lisas 66jährige Mama Maria bringt diesmal ihren Freund nicht mit auf das Schiff nach New York – sie findet ihn dort, und damit die Handlung noch dicker wird, ist er der Vater ihrer Tochter. Vorher muß es noch Mißverständnisse aller Art geben, wenn der Eintänzer Otto sich als reicher Immobilienmakler ausgibt, der er nicht ist.
Ja, und da ist noch Lisas Makeup-Artist Fred, der als ihr treuer Freund mit auf das Schiff zur abdampfenden Mutter rast (sie müssen dann alle drei als blinde Passagiere ihre Überfahrt abarbeiten) – und dafür die große Liebe findet, einen Zauberkünstler namens Costa, Grieche natürlich, schon wegen des „Griechischen Weins“… Wie gesagt, 20 Udo-Schlager, die meisten ziemlich bekannt, sind durch die Handlung verstreut und machen die Show zum Musical.
 
Wo alles so unecht ist wie möglich. Daß Regisseur Philipp Stölzl sich auf so etwas einließ – man versteht es nicht ganz, aber wenn er mit Hilfe von Ausstattung und Choreographie die Künstlichkeit dieser Art von „Unterhaltung“ erzeugt, braucht er nur eine Handvoll erstklassiger Schauspieler, die sich schwungvoll auf diesen Unsinn einlassen. Das funktioniert zwei Stunden lang, manchmal ein bißchen holprig, teilweise amüsant. Alle Beteiligen – Mitwirkende wie Publikum – wußten bzw. wissen, worauf sie sich einlassen.
Heike Makatsch wirft ihre blonden Locken und zickt nach allen Regeln der Kunst, um dann zum kuschelweich liebenden Weibchen zu werden (in den Szenen, wo sie sich im Fernsehstudio schlecht benimmt, taucht in einer Nebenrolle, peinlich überzeichnet, Cornelius Obonya auf). Moritz Bleibtreu ist amüsant als verkrampfter Wissenschaftler, wenn sein Handlungsstrang (mit der toten Gattin und ihrer Asche in der Blechbüchse) auch bis zur Unerträglichkeit sentimental ausgewalzt wird. Katharina Thalbach als unternehmungslose alte Mutti ist einfach schamlos im Ausspielen von Forschheit hier, Zuckrigkeit da; das ist schauspielerisches Handwerk auf die Spitze getrieben. Als ihren Erwählten kann man Uwe Ochsenknecht unter weißer Stirnlocke fast nicht erkennen – und er schmalzt vor sich hin. (Mat Schuh ist sein skurriler Arbeitskollege, der alte Damen mit öligem Charme glücklich machen soll.)
Ganz auf der weichen Welle des liebevollen Zeitgeistes schwimmt die Handlung zwischen dem schwulen Maskenbildner, den Michael Ostrowski keinesfalls überzeichnet, und dem griechischen Zauberer (Pasquale Aleardi) – da kann man ja nur die Daumen halten, daß auch dieses Happyend klappt. Keine Angst, es funktioniert schon – am Ende sieht es tatsächlich so aus, als sei man in New York, wo dann alle in einander hineinlaufen, nachdem es ein paar nicht ernst gemeinte Schwierigkeiten gegeben hat. Sie finden sich ja doch, hurra, die Liebe siegt, und Udo hat die Musik dazu gemacht.
 
 
Renate Wagner