Klage und Lust - Katharina Deserno spielt Dinescu und Bach

Katharina Deserno – „Suites & Roses“

von Frank Becker

Klage und Lust
 
Katharina Deserno spielt Dinescu und Bach
 
Die beinahe minimalistischen sieben Miniaturen der 2014-18 entstandenen kleinen Suite „Sieben Rosen“ der rumänischen Komponistin Violeta Dinescu eröffnen das spannende Projekt, Dinescu und Johann Sebastian Bach in einem ausgewogenen Programm zuammenzubringen. Für viele Hörer wird Violeta Dinescu eine neue Erfahrung sein, weshalb der Auftakt geschickt gewählt ist: Die Konzentration gehört von Anfang an dem Neuen. Wir lernen das Cello in Nr. I und II als Klageweib, aber auch jauchzend (Nr. III) und voller Melancholie in Nr. IV kennen – hier läßt Katharina Deserno ihre Stimme mit den gestrichenen Saiten verschmelzen. Fiebrig nervös folgen die Striche in Nr. V, sanft, beinahe müde die Nr. VI, bis die VII noch einmal melodisch auflebt, um bei 1:20 abzubrechen. Ein Experiment für das ungeübte Ohr, sicher aber auch für die Cellistin Katharina Deserno.
     Die kann ihre ganze Virtuosität in der folgenden Suite Für Violoncello Solo Nr. 1 G-Dur Bwv 1007 aufleuchten und zum beglückenden Erlebnis werden lassen. Dynamisch und zugleich mit tiefem Sentiment geht sie die sechs delikaten Sätze wie aus einer anderen Welt an. Wie losgelöst zaubert sie aus ihrem Violoncello von Carlo Antonio Testore aus dem Jahr 1712 eine ungeheure Klangfülle. Prélude, Allemande, Courante, Sarabande, Menuet und Gigue werden unter ihren Händen zu lustvollen Delikatessen.
 
     Der Wechsel zu Dinescus ganz neuer Kleiner Suite in fünf Sätzen gelingt, wenn auch nicht völlig bruchlos, so doch aber überzeugend, und Katharina Deserno stellt unter Beweis, was Violeta Dinescu im Begleitheft über sie sagt: „…war ich sofort überzeugt, eine Interpretin gefunden zu haben, die die Möglichkeiten besitzt, meine »musikalischen Gedanken« zu fühlen (ohne vorher mit mir zu kommunizieren).“ – Und wieder hört man im Ausklang von I für wenige Takte Katharina Desernos sirenenhaften Sopran, der sich auch in II körperlich mit dem Klang des Cellos verbindet, sich in III und IV für Momente licht erhebt und such in V noch einmal dramatisch erhebt. Katharina Deserno fordert dem Cello ab, was Testore vor 300 Jahren nicht hat vermuten können, doch hat er seinem Instrument in ahnungsvoller Voraussicht all das Notwendige mitgegeben.
     Mit ausgleichender Ruhe übernimmt J.S. Bachs Suite Für Violoncello Solo Nr. 2 D-Moll Bwv 1008, in tiefer Innigkeit von Katharina Deserno empfunden und mit erhabenem Ernst vermittelt. Dinescus „Abendandacht“ aus dem Jahr 1985, 2018 überarbeitet, schließt sich Bach ganz folgerichtig an, brillant zusammengestellt und den Ton von BWV 1008 aufnehmend. Klagend wie Nr. I der „Sieben Rosen“ schließt das Stück die Klammer dieses außergewöhnlichen, bewegenden Albums, für das Katharina Deserno das Prädikat der Musenblätter, den Musenkuß, redlich verdient hat.
 
Katharina Deserno – „Suites & Roses“
Kammermusik für Cello von Violeta Dinescu und Johann Sebastian Bach
© 2019 Kaleidos Musikeditionen
Katharina Deserno (Violoncello, Stimme)
 
Stücke:
1. Violeta Dinescu: Sieben Rosen (2014/2018)
2. Johann Sebastian Bach: Suite Für Violoncello Solo Nr. 1 G-Dur Bwv 1007
3. Violeta Dinescu: Kleine Suite für Violoncello solo (2018)
4. Johann Sebastian Bach: Suite Für Violoncello Solo Nr. 2 D-Moll Bwv 1008
5. Violeta Dinescu: Abendandacht (1985/2018)
Gesamtzeit: 1:15:54
 
Weitere Informationen: www.musikeditionen.de