Die Blagen sind wieder da!

Der beliebte asso-Kalender lädt zur Zeitreise ein

von Frank Becker

    Titel-Foto: Willy van Heekern © Ruhr Museum Essen

Die Blagen sind wieder da!
 
Der beliebte asso-Kalender lädt zur Zeitreise ein
 
Auch 2020 erzählen wieder die zwölf großformatigen Fotos des schon zur guten Tradition gewordenen Kalenders „Blagen“ vom Leben der Kinder im Ruhrgebiet, wie es in den 30er bis 80er Jahren gewesen ist. Der beliebte Kalender ist für viele seit Jahren der jährliche Rückzugsort in eine bessere, goldene, weil erlebte Zeit, die verklärte Welt der Erinnerung. Es geht zwar dem Titel nach ums Ruhrgebiet, und gelegentlich sieht man auch die Schlote und Halden dieser Bergbauregion, doch haben die Fotos aus dem Ruhr Museum Essen durch ihren Fokus auf die Welt der Kinder durchaus Allgemeingültigkeit.
Willy van Heekern, Manfred Scholz, Marga Kingler und Anton Tripp sind in diesem Kalender für das Jahr 2020 die Bildautoren, die seinerzeit in kluger Voraussicht auf den Auslöser gedrückt und so die flüchtige Erinnerung an die Vergangenheit bewahrt haben. So wie die Welt sich dreht, ist sie auf Dauer auch der Veränderung unterworfen. Nicht immer zum Besten, wenn man sich überlegt, daß es heute kritisch betrachtet, ja fast als kriminell gewertet wird, wenn man badende Kinder, die Einschulung der Sechsjährigen oder das harmloseste Spiel fotografiert. Aus der Normalität ist unter gesellschaftlichem Dauer- und Datenschutz-Stress ein unwägbares Abenteuer geworden.
 

 Foto: Willy van Heekern © Ruhr Museum Essen

Andererseits wird heute aus der Einschulung ein für Kinder ungemein stressiges Mega-Event gemacht, mit Party, Autokorso, Filmkamera und tausend Posts im Internet. In den Fünfzigern bekamen sie eine Schultüte mit süßen Sachen, einem Stift und einem Radiergummi drin – und die Schule fing an. Basta. Natürlich spielten damals Mädchen mit Puppen und Jungs stapften mit Gummistiefeln durch Pfützen. Und keiner wurde dabei von irgendwem genötigt, die Rollen zu tauschen. Es gab noch nicht den Fluch von Facebook, Instagam und Internet, der jeden, der sich darauf einläßt, seiner Ruhe beraubt. Die Ruhe zum Leben aber ist ein Teil dessen, was uns der „Blagen“-Kalender vermittelt. Klar, man mußte zur Schule gehen, man mußte essen, was man sich aufgetan hatte, um zu lernen, daß man nicht verschwenden darf und man mußte artig grüßen und im Bus für Ältere aufstehen. Was war schlimm daran?
Die Kinder meiner Nachbarn gehen heute grußlos vorbei, im Bus verstecken sich 12jährige hinter ihrem Smartphone und Kapuzenpulli, während neben ihnen eine alte Dame wackelig stehen muß, und anstatt kreativ mit den Dingen zu spielen, die der Alltag mit sich bringt (und sei es eben nur eine Pfütze), schauen sich schon10jährige auf ihrem Smartphone Pornos an.
 

   Foto: Marga Klingler © Ruhr Museum Essen

Wem will man es also verdenken, wenn er sich mit den Fotos des „Blagen“-Kalenders in eine bessere, weil harmlosere Welt zurückträumt.
Der Verlag hält übrigens noch einige ältere Jahrgänge u.a. der „Blagen“-, „Schicht“-, „Um die Ecke“ und der „Nebenan“-Kalender zum ermäßigten Preis sowie das wunderbare Geschenkbuch „Blagen – Kinderjahre im Revier vorrätig. Das Kalendarium mag nicht mehr zutreffen, die wunderbaren Bilder aber verlieren ihren Charme nie.
 

  Foto: Marga Klingler © Ruhr Museum Essen

„Blagen 2020“ – Bilder aus dem Ruhr Museum
© 2019 assoverlag, 14 Blatt 40 x 40 cm, Spiralbindung – ISBN: 978-3-938834-94-7
20,00 €
Weitere Informationen:  www.assoverlag.de  -  www.ruhrmuseum.de