Haltet die Uhren an…
Oona Kastner und Dirk Raulf beschwören das Ende
(…always november)
Weh mir, wo nehm' ich, wenn
Es Winter ist, die Blumen, und wo Den Sonnenschein Und Schatten der Erde? Die Mauern stehn Sprachlos und kalt, im Winde Klirren die Fahnen. (Friedrich Hölderlin)
Es ist viel vom barocken Vanitas-Gedanken in dem neuen, dunklen Album von Oona Kastner, die nach ihrem grandiosen Erfolg an der Seite von Willem Schulz mit „oct. 18, 2:09 a. m.“ nun in gleicher Qualität zusammen mit Dirk Raulf nachlegt. „songs from a darkness“ haben sie das Projekt trefflich genannt, das mit der Musik und den schwarzen Texten von Dirk Raulf gerade richtig zur düsteren Jahreszeit kommt. Und schon wieder – wie bereits bei Raulfs „Deep Schrott“ kommt man nicht an Hölderlin vorbei, dessen „Hälfte des Leben“ kalt und hoffnungslos durch die Texte und die gewaltige Musik klirrt.
Dirk Raulfs Reeds und Oona Kastners von ihren Keys umhüllte, ausdrucksstarke, wandlungsfähige Stimme, ihr mal entsagender, mal verzweifelnder, dann wieder dröhnend drohender oder auch gelegentlich sanfter Vortrag (I see nothing) sind bestechend. Es gibt angesichts des Zustandes der Welt keine Eile mehr. Die Songs nehmen sich die Zeit, die noch bleibt, schwören mit ihrer Botschaft auf das Ende ein. „Tränen“ z.B. steht in unmittelbarer Beziehung zu Andreas Gryphius´ „Tränen des Vaterlandes“ und transportiert mit deutlicher Aussage den gleichen Schrecken, wie Gryphius´ Gedicht 1636/1643 unter dem Eindruck des 30-jährigen Krieges.
Kastner und Raulf erschaffen die maßgeschneiderten Klanglandschaften dazu, mystische Töne, packende Sinfonien, die man körperlich wie seelisch empfindet, die unmittelbar mitnehmen und nachhaltig faszinieren, in die man, ja, sich hinsinken lassen kann. Es lohnt zum besseren Verständnis die im Booklet abgedruckten Texte mitzulesen, denn sie sind Literatur, nicht „nur“ Songtexte – ein dräuender Abgesang, der sich mit „astral weeks“ und beinahe unfassbar schwarzem Blues in Oona Kastners Vortrag in eine ganz zarte Hoffnung auf eine bessere Welt auflöst.
„songs from a darkness“ ist ein wichtiges Album mit Sucht-Potential, das unser Prädikat, den Musenkuß mehr als verdient hat und den sogar mit Sternchen. Sehr zu empfehlen.
there´s no getaway
you´re wasting your breath
hell´s become an empty place
the devils are loose
there´s no second chance
ypu backed the wrong horse
they are always at your service
save your ass
(collateral)
d.o.o.r – „songs from a darkness“
© 2019 poise
Oona Kastner (voc, p, keys) – Dirk Raulf (bcl, ts)
1. Last Forecast 10:19 - 2. And All 08:01 - 3. Collateral 06:51 - 4. Feed Me 14:06 - 5. I See Nothing 08:25 - 6. Traenen 06:07 - 7. Half Awake 09:13 - 8. Funeral Blues 04:34
Gesamtzeit: 1:14:06
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