So schaut´s aus

„Submission“ von Richard Levine

von Renate Wagner

Submission
(USA 2017)

Regie: Richard Levine
Mit: Stanley Tucci, Addison Timlin, Kyra Sedgwick, Peter Gallagher u.a.
 
 
Wir sind beim Thema des Tages: Vergewaltigung, vielmehr behauptete Vergewaltigung, Täter – Opfer – Gesellschaft, Vorverurteilung, Glaubwürdigkeitsprobleme, und daß man gar nicht genug aufpassen kann, was man zu irgendjemandem sagt – selbst, wenn man die anderen für Freunde hält.
Vielleicht hat der Verleih den amerikanischen Film „Submission“ von 2017 jetzt hervorgeholt, weil er das alte Thema neu beleuchtet. So, wie man es heute nicht sehen will. Die Frau als bewußte Täterin, die sich als Opfer aufspielt, der man ungefragt glaubt, und der es keine Mühe macht, einen Mann zu zerstören, wenn ihr danach ist.
 
Man sollte meinen, das Milieu einer Universität, wie es hier gezeigt wird, sei besonders heikel, aber wie man längst weiß, funktioniert das Schema überall. Dennoch hat die kleine Welt innerhalb der Universitäten immer ihren Reiz, und das Bündel der Motive, das der Film „Submisson“ auffächert, wirkt glaubwürdig. Zumal faszinierend gespielt, schrittweise einem Untergang entgegen gehend, den man nur als Kinobesucher voraussieht, während Professor Ted Swenson sich leider nur (geradezu klischeehaft) benimmt wie ein dummer Mann, der freundlich und höflich sein wird.
Dieser Swenson wird zum Glanzstück des Schauspielers Stanley Tucci: kein attraktiver Mann, kein mächtiger Mann, aber den klugen und resignierten und höflichen Mann glaubt man ihm jede Sekunde. Als Schriftsteller hat er mit einem ersten Buch kurzen Ruhm geerntet. Die Branche kennt die Crux des nächsten Buches, das sich nicht aus dem Ärmel schütteln läßt. Also verdient sich Ted Swenson sein Geld als Professor für kreatives Schreiben an einer amerikanischen Privatuniversität in Vermont. Unterstützt seine Schüler, die – eine kleine Klasse – ihre Werke vorstellen und auch untereinander hart aburteilen. Swensons Gattin (Kyra Sedgwick) arbeitet im Spital, ist eine angenehme, vernünftige Frau, macht das Campus-Leben mit, wo die Professoren sich privat treffen, und ist klugerweise erschrocken, wenn ihr Gatte im Kreis der Kollegen unvorsichtigerweise ausspricht, was er von der beengenden „politischen Korrektheit“ hält.
 
Und da taucht die Studentin Angela Argo auf (Addison Timlin blitzt die Berechnung von allem, was sie tut, aus den Augen, aber Swenson sieht es nicht). Sie macht sich an den Professor heran, verlangt private Aufmerksamkeit für ihr Manuskript, das er freundlich beurteilt, und er kann ihrer zunehmenden Aufdringlichkeit nicht Herr werden, weil er nicht der Mensch ist, sie kaltblütig wegzuschicken. Und dummerweise ist er auch nicht so klug wie seine Kollegen, die offen sagen, daß sie nur bei offener Tür mit Studentinnen sprechen oder wenn jemand dabei ist oder wenn sie ein Tonband laufen haben. Die seltsame Bedrohung des Alltags heute.
Es kommt, wie es kommen muß, und Regisseur Richard Levine führt die Handlung mit unaufgeregter Folgerichtigkeit: Angela verführt den Professor, er tappt in die geschickt aufgestellte Venusfalle (im Hintergrund irrlichtert der „Blaue Engel“ herum), er glaubt an gegenseitige Anziehung, möchte es glauben. Damit sie ihm dann entgegen schreit, sie habe es nur getan, damit er sie an seinen Verleger in New York vermittle… Obwohl der Sex dann im letzten Endeffekt nicht stattgefunden hat (er brach sich offenbar beim Küssen einen Zahn aus, was dramaturgisch etwas seltsam wirkt), klagt sie ihn der Vergewaltigung an – und niemand kommt auf die Idee, daran zu zweifeln oder auch nur seine Argumente zu hören.
Daß die tapfere loyale Ehefrau ihn ohne weiters fallen läßt, wirkt seltsam, nicht hingegen, daß das von der Uni einberufene „Gericht“ ihn absolut für schuldig erachtet und den chancenlosen Swenson, dem man gar nicht zuhören will, relegiert. Auch daß Angela nach diesem Skandal einen Buchvertrag bekommt, liegt im Trend unserer Zeit. Und daß der verachtete, einsame Swenson nun wieder schreibt… schwacher Trost für alles, was geschehen ist.
 
Da zeigt ein Film, wie der Zeitgeist auch laufen kann. Früher ergab die Geschichte der berechnenden Frau (die dann auch immer bombensexy war) im Kino einen aufregenden Thriller. Heute ist das trockener, trauriger, reizloser Alltag. Zeigt, wie man Trends instrumentalisiert. Wie hoffnungslos die Situation der Opfer ist – und das Opfer findet sich diesmal auf der anderen Seite. Weil man die scheinbar mißbrauchte, gedemütigte, benützte Frau für ihren Mut, alles öffentlich zu machen (!) noch bewundert, sie bestärkt – und das als Topos so selbstverständlich findet, daß man der Gegenseite nicht die geringste Chance gibt.
„So schaut’s aus“, würden die Wiener Kabarettisten sagen. Natürlich schaut es nicht immer so aus. Aber daß jedes Ding zwei Seiten hat und die Kehrseite der Medaille beachtet werden sollte – vielleicht lernen das die #metoo-Aktivisten noch. Obwohl sie so von ihrer Unfehlbarkeit überzeugt sind, daß ein einzelner, wenn auch sehr guter Film daran wohl wenig ändern wird.
 
Vorschau     
 
Renate Wagner