Komödienverpackt und doch nicht billig – ein interessanter, erfrischender Aspekt

„Late Night“ von Nisha Ganatra

von Renate Wagner

Late Night – Die Show ihres Lebens
(Late Night - USA 2019)

Regie: Nisha Ganatra
Mit: Emma Thompson, Mindy Kaling, John Lithgow, Denis O’Hare u.a.
 
Die „Politische Korrektheit“ als Hüterin menschlichen Verhaltens deckt ein breites Feld von Schützlingen ab: Juden, Farbige, Migranten, Roma und Sinti, Schwule, Lesben, Transgender, Übergewichtige, Behinderte – und natürlich, als wohl größte Gruppe, die mißhandelte, ausgebeutete, chancenlos gehaltene Frau. Da bleibt ja nur ein Feindbild: der weiße, heterosexuelle Mann, oder, wenn sie sich wie ein Mann verhält, die weiße Karrierefrau. Das ist nur einer von vielen Aspekten unserer Zeit, die „Late Night“ aufzeigt, und dabei ist es letztenendes (bis auf einige allzu sentimentale und anbiedernde Ausrutscher) eine echt satirische Komödie geworden.
     Beginnen wir mit „Late Night“ selbst: Emma Thompson spielt Katherine Newbury, eine Britin in Amerika, die schon seit Jahrzehnten ihre tägliche nächtliche Schwachsinns-Show präsentiert, deren „Witze“ ein Dutzend junger Männer täglich mit rauchenden Köpfen produziert. Diese Shows gibt es wirklich, und ernst zu nehmende Künstler – wie Emma Thompson – sind dort zu jedem Schwachsinn bereit. Man muß sich nur auf YouTube ansehen, wozu sie sich bei Ellen DeGeneres bereit findet: Eine der größten Schauspielerinnen der Welt als Tierstimmen-Imitatorin. Nun gut, genau darum geht es, um eine Show mit einer Galionsfigur, die aber nur durch Teamwork funktionieren kann. Unter welchem Druck man da steht, ununterbrochen etwas Neues zu finden, damit die Millionen Seher dieses Blödsinns nicht abbröckeln… das ist durchaus eines der Themen dieses Films.
     Das zweite ist Katherine Newbury selbst, eingestandene 56 Jahre, mit blondem, zackigen Haarschnitt auf zeitgemäß machend, aber eben nicht mehr jung – sie weiß es, jeder weiß es. („Ich bin so alt wie Tom Cruise, er darf mit der Mumie kämpfen, ich bin die Mumie“, lautet ein sarkastischer Witz.) Unleugbar die Tatsache, daß das Alter an den Frauen, so gut sie sich auch halten, viel stärker kratzt als bei den Männern. Und selbst jemand, der so eisenhart, rücksichtslos und scheinbar unmenschlich ist wie Katherine, kann einen solchen Kampf letztlich wohl nicht gewinnen. Zumal sie die Menschen um sich wie Funktionen, nicht wie Menschen behandelt, und folglich auch keinen Rückhalt hat außer ihren älteren, kranken Gatten (John Lithgow), offenbar der einzige Mensch, an dem ihr etwas liegt. Übrigens: Schminken wir uns Frauenloyalität an. Die Chefin des Senders (Amy Ryan) scheint es geradezu zu genießen, sie rauszuwerfen… Also – altern und verdrängt werden als Thema Nr. 2. Daß Emma Thompson dergleichen spielt wie auf dem Virtuosen-Klavier, ist klar, sie wehrt sich grimmig, lernt aber dann ihre Lektion… Sie hat schon tiefere Leistungen gezeigt, aber das ist sicher eine ihrer brillantesten. Denn eine große Komödiantin ist sie natürlich auch.
Thema Nr. 3 ist wohl das Thema Nr. 1, wenn es sich auch hinter dem Glamour von Show und Star fast versteckt: Es geht um die „Quoten-Außenseiter“, die auf einmal Chancen bekommen, die sie früher nie erhalten hätten – aber nicht aus Überzeugung, sondern damit die Mächtigen endlich ihre Ruhe haben (früher hieß der Spruch: „Einige meiner besten Freunde sind Juden.“) Und weil Katherine Newbury, die auch mit Männern nicht „kann“, den Ruf hat, gegen Frauen geradezu feindselig zu sein – da stellt ihr geplagter, treuer Berater Brad (Denis O’Hare) einfach die junge Frau ein, die gerade mit ihrer Bewerbung vor ihm sitzt: eine Inderin.
     Und damit sind wir bei Mindy Kaling as Molly Patel. Nein, absolut keine Bollywood-Schönheit, weit entfernt davon. So durchschnittlich wie nur möglich – eine Frau, die das Publikum nicht mit dem Aussehen, sondern mit ihrem Wesen gewinnt. Früher wäre sie vermutlich nicht in die Nähe einer Kamera gekommen. Heutzutage ist sie nicht nur zweite Hauptdarstellerin – sondern auch Drehbuchautorin. Ja, die 40jährige Amerikanerin mit indischen Wurzeln (sie sieht um einiges jünger aus) hat gewissermaßen, eingebettet ins Fernsehgeschäft und andere Probleme, ihre eigene Geschichte geschrieben. Sie weiß, wie ihresgleichen – eine farbige Frau ist automatisch ein Underdog in einer Männerwelt – behandelt wird, und sie weiß auch, wie man intelligent und mit einem Lächeln souverän damit umgeht. So kann sie in Katherines Team nicht nur den schnöseligen weißen jungen Männern, sondern auch der Chefin selbst was beibringen.
     Mindy Kaling hat auch schon Erfahrung als Schauspielerin (allerdings sonst eher in Mini-Rollen, die man halt mit Farbigen besetzt) und als Autorin. Sie leistet sich nur diese und jene Dummheit – warum müssen Katherine und ihr Mann sich nach einer Entfremdung in einem leeren Theater (!) treffen, er auf der Bühne sitzend (!), sie an der Rampe kauernd, bevor sie ihm in die Arme stürzt? Das ist schlimm, während man das Ende in seiner Übertreibung eher als knüppeldick ironisch nehmen kann – denn als Molly Patel Katherine klar gemacht hat, wie die Welt heute aussieht (und ihr damit auch die Show gerettet hat), da sind die neuen Mitarbeiter von allen Rassen, Farben, Geschlechtern, auch ein Rollstuhl-Fahrer ist dabei…
Hollywood war immer fürs Träumen, und da geht es um den Traum, daß Menschen zur Einsicht kommen und man die Welt ändern (im Sinn von verbessern) könnte. Und da dieser Film sehr „indisch“ ist – Regie führt Nisha Ganatra, wie die Autorin Amerikanerin rein indischer Abstammung – , meint man auch ein wenig Bollywood-Schmäh zu spüren… der ja was Schönes ist.
Natürlich werden Kinobesucher, die sich von großen Schauspielern lenken lassen, das als „Emma Thompson-Film“ sehen und wahrlich nicht enttäuscht werden. Aber als Draufgabe erlebt man, wie eine US-Inderin die Welt sieht, und das ist – komödienverpackt und doch nicht billig – ein interessanter, erfrischender Aspekt.
 
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Renate Wagner