Blöder geht es wohl kaum

„Und wer nimmt den Hund?“ von Rainer Kaufmann

von Renate Wagner

Und wer nimmt den Hund?
(Deutschland 2019)

Regie: Rainer Kaufmann
Mit: Ulrich Tukur, Martina Gedeck, Lucie Heinze, Peter Jordan u.a.
 
Zu Beginn sitzen die beiden bei der Eheberaterin? Mediatorin? Psychiaterin? Die Situation erinnert an die „Wunderübung“, an den Film nach dem Glattauer-Stück, der im Vorjahr in unsere Kinos gekommen ist. Nur hier – das Original-Drehbuch stammt von Martin Rauhaus, der Martin Suters „Allmen“-Romane ins Fernsehen brachte – geht es nicht um die Scheidungstherapie, weshalb man sich fragt, warum sich Doris und Georg Lehnert dieser überhaupt unterziehen, Sie sind ja fest entschlossen, sich nach 25 Jahren zu trennen, tatsächlich hat die Gattin den ungetreuen Gatten schon aus Haus und Bett geworfen.
Also, warum? Uneinsichtig. „Weil man das halt heutzutage so macht“, sagt der Ehemann. Und weil sie sich solcherart gegenseitig unfreundlich befetzen können – offenbar nimmt man an, das Kinopublikum liebe solch unfreundliche Streitgespräche. Aber wenn man einigermaßen sensibel ist, empfindet man dergleichen ja nur zum Fremdschämen peinlich.
Gut, die große Kinozeit von Regisseur Rainer Kaufmann („Stadtgespräch“ 1995) ist lange vorbei, wer Episoden in Fernseh-Krimi-Serien inszeniert, fällt als Regisseur nicht sonderlich auf, wenn er auch seinen Lebensunterhalt bestreiten kann. Kommt er dann allerdings wieder einmal ins Kino, noch dazu mit einer großen Besetzung (und viel höher als mit Martina Gedeck und Ulrich Tukur kann man in Deutschland kaum greifen), dann ist die Aufmerksamkeit garantiert. Und die Enttäuschung umso größer.
 
Wo sind die Klischees? Georg Lehnert (ein gealterter und gequälter Ulrich Tukur) leitet ein großes Aquarium und hat in Laura (Lucie Heinze als hübscher Durchschnittstyp) eine attraktive Assistentin gefunden, die sich natürlich mit dem Chef einläßt. Weil er das gemeinsame Leben mit Gattin Doris (in Martina Gedeck brennt noch Feuer und wütet Enttäuschung, und sie wird im Lauf der Handlung zunehmend unternehmungslustig) mittlerweile ziemlich langweilig findet und in dem Alter ist, wo er sich fragt, ob das alles gewesen sein soll, wirft die Ehe hin, zieht aus, stellt sich illusionsvoll auf ein Leben mit der jungen Frau ein. Klischeebruch: Nach einiger Zeit sagt sie ihm, daß er wohl doch zu alt für sie ist. Einen Mann, der sich wegen Rückenproblemen beim Sex nur noch eingeschränkt bewegen kann, akzeptiert ja am ehesten eine Ehefrau…
Klischeebruch: Nein, Doris ist nicht hoch erfreut, daß er eventuell gern zurückkommen würde, und nimmt ihn nicht mit offenen Armen auf. Schließlich hat sie sich mit einem auch nicht mehr jungen Holländer (schmierig: Marcel Hensema) eingelassen, der Plattitüden-Komplimente von sich gibt und Doris eifrig zuredet, mit eigener Karriere durchzustarten. Mutig für eine Frau mit Fünfzig plus… Noch ein kleiner Klischeebruch: Die beiden erwachsenen Kinder des Paares sind über die Trennung der Eltern nicht erschüttert, sondern reagieren zynisch-gelassen: Keine Aufregung mehr heutzutage, wer bleibt schon lebenslang zusammen?
 
Die Idee von Doris, sich mit einer Kunstzeitschrift journalistisch zu betätigen, führt zur dümmsten Sequenz des Films, der ja immer noch einen ausreichend realen Kern hat, um nicht als Parodie genommen zu werden. In eine solche gleitet es allerdings ab, als Doris die Nummer 1 ihrer digitalen Kunstzeitschrift im Internet präsentiert und sich dabei als hektisch-alberne Kunstdiebin im Museum betätigt, von ihrer Freundin live mitgefilmt und ins Netz gestellt… Blöder geht es wohl kaum.
Ja, auch nicht die gemeinsame Trauer um den geliebten Hund, die die Familie kurz noch einmal vereint, bringt glücklicherweise nicht das Happyend, denn das wäre dem Regisseur dann wohl zu billig gewesen. Aber daß jeder der beiden seiner Wege geht, erschüttert den Kinobesucher am Ende auch nicht sehr, da die Geschichte kaum angetan ist, irgendeine Anteilnahme zu erregen.
Und wenn am Ende der Hund tot ist – dann gibt es ja keine emotionalen Teilungsfragen mehr, die übrigens keineswegs so dringlich sind wie im Titel des Films angesprochen. Und so mag denn jeder von den beiden seiner Wege gehen… und für den deutschen Lustspielfilm ist wieder einmal nichts gewonnen. Trotz der Hauptdarsteller, die auf ihre Art natürlich wieder außerordentlich sind – aber sie täten sich schwer, es nicht zu sein.
 
 
Renate Wagner