Mystisch, sphärisch, gewaltig

Oona Kastner & Willem Schulz – „oct. 18, 2:09 a. m.“

von Frank Becker

Coverfoto: Oona Kastner
Mystisch, sphärisch, gewaltig…
 
Ein Klangprojekt für Stimme und Cello
 
Seit Ruth Wilhelmine Meyer 2013 gemeinsam mit Helge Lien ihr Album „Memnon“ vorgelegt hat, sind mir eine solche Stimme und ein so geniales Konzept der Verschmelzung von Instrument und Stimme  nicht mehr untergekommen. Die sich jedes Mal erneuernde Begeisterung, die ich damals beim wiederholten Hören vom „Memnon“ empfunden habe, ergreift mich auch jetzt beim Genuß dieses gewaltigen „oct. 18, 2:09 a. m.“, das ebenso herausfordert und gleichermaßen fasziniert.
 
„Somnambule, träumerische Live-Aufnahmen, ein intimes Zwiegespräch zwischen Stimme und Cello“, schreibt das Label Poise im Begleittext und weiter: „Improvisierte nächtliche Klang-Miniaturen von zartester Intensität und virtuoser Expression, zuweilen von fast schmerzhafter Schönheit.“
Das ist wunderschön, vor allem aber auch zutreffend formuliert. Was Oona vom Diskant bis zum Höllenbaß in Zungen spricht, flüstert, raunt, röhrt, kichert, haucht, scattet, quietscht, singt, entzieht sich im Grunde der Be-Schreibung, es will gehört, empfunden, gefühlt, förmlich mit dem Körper aufgenommen werden. Mit ihrer Stimme, die über das ganze denk- und singbare Spektrum verfügt, verarbeitet sie eigene Texte, Fragmente und Klangfiguren sowie Texte von Fernando Pessoa.
Willem Schulz liefert dazu mit und von seinem Cello schleifende, dröhnende, kreischende, grummelnde, donnernde, aber auch gezupfte und zarte Klänge, die jede Hörgewohnheit sprengen, Harmonien und Dissonanzen nebeneinander gelten lassen, Ohr und Abstraktionsvermögen aufs Anspruchsvollste fordern. Sie treffen sich mit Oonas Stimme auf einer höheren Ebene so, daß gelegentlich sogar das Instrument Stimme mit dem Klangkörper Cello eine physische Einheit einzugehen scheint. Das ist mystisch, sphärisch, gewaltig… eben kaum zu beschreiben. Die ganze Bandbreite des überhaupt Möglichen wird mit Bogen und Händen ausgelotet, was im Gesamterlebnis dieses unerhörten Projekts einen beglückt erschöpften Hörer im stillen Raum zurückläßt – bis er erneut auf „Start“ drückt. Eine Empfehlung der Musenblätter für dieses Album, das unser Prädikat, den Musenkuß mehr als verdient hat.
Besonders gerne habe ich mich übrigens um 2:21 a.m., um 2:30 a.m. und um 3:04 a.m. aufgehalten.
 
Oona Kastner & Willem Schulz – „oct. 18, 2:09 a. m.“
© 2019 poise
Texte und Fragmente von Oona und von Fernando Pessoa.
Oona Kastner (Stimme) – Willem Schulz (Cello)
Abfolge:
1. 2:09 a.m. – 2. 2:17 a.m. – 3. 2:21 a.m. – 2:30 a.m. – 2:36 a.m. – 2:45 a.m. – 2:53 a.m. – 3:04 a.m.
Gesamtzeit:  42:23

Weitere Informationen: www.poise.de