João Gilberto †

Einer der letzten großen Stars der Bossa Nova ist gestorben.

von Frank Becker

© Aquarela do Brasil
João Gilberto †
 
Vor rund 60 Jahren ging von Brasilien aus eine der größten Neuerungen der Musikgeschichte mit Folgen für alle Genres von E-, U- und Pop-Musik, besonders aber für den Jazz um die Erde: die Bossa Nova, als deren Väter auf dem Boden der Samba die Genies Antonio Carlos „Tom“ Jobim und João Gilberto (*1931) gelten. Aufmerksame Beobachter der Szene registrieren seit ein paar Jahren eine Renaissance dieser einzigartig melodischen und poetischen Musik. Wenn es ein Stil, ein Genre - und begleitend - eine Sprache verdient hat, so eine Wiedergeburt zu erleben, dann die Bossa Nova mit dem sich wie Honig in Ohr und Gemüt einträufelnden brasilianischen Portugiesisch.

Teil dieser Renaissance war selbstverständlich einer der Urväter, nämlich João Gilberto, sanfter Sänger und brillanter Gitarrist, dessen erste drei legendären Alben und ein paar Zugaben vor ein paar Jahren von zwei beinahe deckungsgleichen CD-Zusammenstellungen der Labels Chrome Dreams und Malanga Music neu vorgestellt wurden. Das ist in beiden Fällen das pure Schwelgen in Melodien und Erinnerungen. Zwischen 1959 und 1961 wurden die fast 40 Titel aufgenommen, überwiegend in Arrangements von A.C. Jobim (1927-1994) und Walter Wanderley (1932-1986), der als Virtuose an der Hammond B3 besondere Akzente der Bossa Nova setzte. „Chega de Saudadé“, „O Amor, o sorriso e a Flor“ und „João Gilberto“ waren die Alben, die damals Herzen und Füße bewegten, denn sie sind zum Träumen ebenso wie zum Tanzen geeignet. Gemeinsam mit João Gilbertos erster Ehefrau, der unvergleichlichen Sängerin Astrud Gilberto und dem Tenorsaxophonisten Stan Getz nahmen Jobim und Gilberto 1962 das legendäre Album „Getz/Gilberto auf.
 
Erst vor vier Monaten erschien beim Label „Aquarela do Brasil“ eine wunderbare CD mit 39 der größten Erfolge João Gilbertos, der
 
© 1962 Verve Records
nicht ohne Grund diesen Ehrentitel trug: „The Master of the Bossa Nova“. Autoren dieser 39 längst zu Standards auch im Jazz gewordenen Titel - denken wir nur an die Adaptionen von Stan Getz und Charlie Byrd - sind alle Großen der brasilianischen Musik: João Gilberto selbst, A.C. Jobim, Vinicius de Moraes, Ary Barroso, Luiz Bonfá, Carlos Lyra u.a.m.. Die für die CD neu abgemischten Tracks, darunter „Chega de Saudade“, „Desafinado“, „Samba de Una Nota So“, „Bim Bom“, „Doralice“, „Un Abraco No Bonfa“, „O Pato“, „Corcovado“, „O Barquinho“, „Voce e Eu“ sind so frisch und von exzellenter Qualität, daß sie vergessen lassen, daß seit ihren Aufnahmen sechs Jahrzehnte ins Land gegangen sind und sich der Künstler seit 30 Jahren vor der Öffentlichkeit verbarg.

Im vergangenen Jahr kam der Film „Wo bist du, João Gilberto?“ von Georges Gachot in die Kinos, der sich nach dem Buch von Marc Fischer mit dem Schicksal Gilbertos beschäftigte. Nun ist am 6. Juli auch João Gilberto, einer der letzten großen Stars, eine Verkörperung der Bossa Nova, gestorben.