Ein italienisches Kaleidoskop

Martin Mosebach – „Die schöne Gewohnheit zu leben“

von Frank Becker

Ein italienisches Kaleidoskop
 
Neapel sehen –
und sterben?
 
Mit Martin Mosebach ist in Italien gut reisen. Sein literarischer Cicerone zum italienischen Leben, Denke und Fühlen, zur Architektur des Alten Rom und der Andrea Palladios, zur Seele der Piazza, zur pompejanischen Malerei - seine Spaziergänge durch Neapel, Rom und Venedig sind der pure Genuß. Und er hat so sehr Recht mit der Titel-Wahl für dieses gehaltvolle Buch, denn wüßte besser aus dem Leben eine schöne Gewohnheit zu machen, als die Italiener. Die Stadtbilder und Menschenporträts, die Mosebach sorgfältig zeichnet, haben nichts mit eiligem, oberflächlichem Tourismus zu tun. Mit ihm lernen wir z.B. Venedig zu hören, zu riechen, zu fühlen, zu schmecken und schließlich, es zu sehen. Amüsant räumt er im Prolog über „Das kälteste Land der Welt“ erst einmal mit all denen auf, die sich nicht zu ihrer tiefen Sehnsucht nach und Liebe zu diesem widersprüchlichen Wunderland bekennen wollen – und ihm dennoch rettungslos verfallen sind. Nicht ohne Grund hat es seit jeher Maler und Dichter, Schriftsteller und Architekten in den besonderen Duft, das besondere Licht, die unvergleichliche Atmosphäre des Landes gezogen, dessen Zitronenblüte romantische Geister ver- und ihren kühlen nördlichen Gefilde entführt hat.
 
Nun ist Martin Mosebach aber keiner, der auf den romantischen Bummelzug aufspringt. Dafür ist ihm Italien viel zu komplex und vor allem in seiner menschlichen Komponente viel zu nah. Seine römischen Tageszeiten und neapolitanischen Redensarten, der Blick und das Schnuppern in ihre Kochtöpfe nehmen uns in ein Italien abseits ausgetretener Pfade mit. Seine Exkurse zum italienischen Design und der Maßschneiderei sind von ebenso großer Delikatesse wie das Gespräch über die Commedia dell´arte oder das Sterben in Neapel. Nennen wir es einen Reiseführer des Verstandes, einen Baedeker der Sinne, einen Grieben des Gefühls. Damit wird sich der Italienreisende zumindest dem Wesen des Landes besser nähern können als mit jedwedem auch noch so guten Handbuch. Ein Kompliment und eine artige Verneigung vor soviel klugem Feingefühl. Dafür geben wir gerne unser Prädikat, den Musenkuß!
 
Martin Mosebach – „Die schöne Gewohnheit zu leben“
Eine italienische Reise
© 1997 / 2010 Berlin Verlag, 189 Seiten, bedrucktes Ganzleinen – ISBN: 978-3-8279-0934-0
15,- €
 
Weitere Informationen:  www.berlinverlag.de
 
Andere Ausgaben sind als Taschenbuch bei dtv und rororo erschienen