Wirklich komisch. Und das Gemetzel – na das ist blutig.

„The Dead Don´t Die“ von Jim Jarmusch

von Renate Wagner

The Dead Don’t Die
(USA  2019)

Regie: Jim Jarmusch
Mit: Bill Murray, Adam Driver, Tilda Swinton, Chloë Sevigny, Tom Waits, Danny Glover u.a.
 
Die Stadt heißt aufgeblasen „Centerville“, ist aber ein Kaff irgendwo im Nirgendwo der USA, klein genug, daß jeder jeden kennt. Hier siedelt sich Regisseur Jim Jarmusch für ein klassisches Genre an, das ihm allerdings neu ist (nicht, daß er die Historie des Genres nicht kennte und zitierte!): der Zombie-Film, hier gemixt mit einer Kleinstadt-Komödie, exekutiert mit stoischer Ruhe. Das ist eine herausfordernde Mischung, aber Jarmusch-Fans kennen ihn, stellen sich auf ihn ein, sind dabei. Und bleiben auch dabei, wenn es sich zieht – denn dann zieht es sich ergötzlich.
Zuerst suchen die zwei Polizisten, die unsere ständigen Begleiter sein werden – der herrliche unbewegte Bill Murray als „Cliff Robertson“ und der halb töricht wirkende Adam Driver als Ronald Peterson – einen Waldmenschen auf: kein Geringerer als Tom Waits als Hermit Bob blickt aus seinem wirren Bart und Haar. Wahrscheinlich müßte man ihn wegen Landstreicherei und Hühnerdiebstahl längst wegsperren, aber man geht gemütlich miteinander um. Freundliche Verwarnung, die Polizisten fahren in ihr Städtchen zurück und wundern sich, daß es, obwohl es längst Abend ist, nicht dunkel wird…
Als spulte er ein Theaterstück ab, beschränkt sich Jim Jarmusch nun auf wenige Schauplätze. Die Polizeistation, wo die beiden Männer noch eine ziemlich verschüchterte Kollegin haben (Chloë Sevigny als Minerva Morrison), die für ihren Job fraglos nicht geeignet ist. Auf der Polizeistation liegt in einer Zelle übrigens die längste Zeit eine Leiche herum… Der Coffee Shop, wo Danny Glover (als Gelegenheitsarbeiter Hank Thompson) Dauerkunde ist. Der Laden mit aller Art von alten Comic-Heften und esoterischem Plunder, den der schräge Bobby Wiggins (Caleb Landry Jones) führt.
 
Dann haben wir noch das Begräbnisinstitut, wo die seltsame, mit schottischem Akzent sprechende Zelda ihre „Kunden“ schminkt: Tilda Swinton ist der Höhepunkt der Besetzung, nicht nur des hinreißenden Akzents und der sprühenden Selbstironie wegen, mit der sie ernst zu sein versucht: Später, wenn dann die Zombies kommen (ja, wenn wir alle kennen gelernt haben, kommen sie noch), schwingt sie das Samurai-Schwert in einer Pose und mit einer Kunstfertigkeit, die glatt von Uma Thurman aus Tarantinos „Kill Bill“ gestohlen sind… Und am Ende entschwindet sie in den Weltraum. Nein, es geht entschieden nicht mit rechten Dingen zu in Centerville.
Drei jugendliche Hipster, die sich auf einem nicht näher definierten Trip befinden, tauchen auch noch auf, geführt von der netten und doch verführerischen Selena Gomez als Zoe. Und da sind dann noch die Kids in einem Erziehungsheim. Sie sitzen vor dem Fernseher und diskutieren interessiert, was sich da in unserer Welt so tut, wo man von Menschenseite an der Erdachse herumfummelt und alles durcheinander bringt. Manche Kritiker haben das Erscheinen der Zombies mit der Unverantwortlichkeit in Verbindung gebracht, die wir Menschen unserer Erde gegenüber zeigen – unvermeidlich nötig ist der der Konnex nicht. Tatsächlich scheinen die Zombies bei Jarmusch eher schöner Selbstzweck zu sein.
Ja, und nachdem alles friedlich aufgedröselt ist, stößt der erste Knochenarm aus der Friedhofserde – und dann kommen die Zombies, erst einzeln, dann mehr und mehr, schließlich in drückender Übermacht, und leisten ihre schaurige Arbeit. Seltsamerweise scheint sich niemand besonders darüber zu wundern. Man weiß nur, daß das Köpfen die beste Methode ist, mit ihnen fertig zu werden und geht ans Verteidigungswerk.
Das kreischende Entsetzen, das sich beim Erscheinen der erdig-verrotteten Knochen-Menschenreste (die hier durchaus im Stil der klassischen George A. Romero-Filme herumwanken) üblicherweise einstellt, ist bei Jarmusch eher durch starre Ungläubigkeit ersetzt, die wirklich komisch wirkt. Und das Gemetzel – na das ist blutig. Und der Film – anders. Seltsam. Wie halt immer bei Jim Jarmusch.
 
 
Renate Wagner