Dieser Richard läßt frösteln

„Richard III.“ von William Shakespeare in der Übersetzung von Thomas Brasch

von Daniel Diekhans

Ensemble Foto © Uwe Schinkel

Dieser Richard läßt frösteln
 
Henri Hüster liefert ein Update des Königsdramas
 
„Richard III.“ von William Shakespeare
in der Übersetzung von Thomas Brasch.
 
Regie: Henri Hüster - Bühne und Kostüme: Hanna Rode - Musik: Florentin Berger-Monit und Johannes Wernicke - Choreographie: Vasna Aguilar
Besetzung: Thomas Braus (Gloster, später Richard III.) - Julia Reznik (König Edward/ Lady Anne, später Herzogin von York/ Bote) - Alexander Peiler (Clarence/ Hastings) - Julia Meier (Königin Elisabeth/ Tyrrell) - Miko Greza (Königin Margaret/ Brakenbury/ Bürgermeister) - Julia Wolff (Herzogin von York/ Catesby) - Lena Vogt (Buckingham/ Richmond) - Konstantin Rickert (Lord Rivers/ Erster Mörder/ Erster Bürger) - Martin Petschan (Stanley/ Zweiter Mörder/ Zweiter Bürger/ Kardinal/ Bote) - Kasimir Pachl/ Mohamed Anis Sahli (Prinz von Wales) – Henri Hager/ Fabian von Heimburg (Richard von York)
 
A faint cold fear thrills through my veins
(William Shakespeare, Romeo and Juliet)
 
In der Wuppertaler Inszenierung glänzt Intendant Thomas Braus als Machtmensch
 
Wer ist hier Richard III.? Die Frage ist berechtigt, denn wenn die Schauspieler das erste Mal vor die blutrot verschmierte Bühnenwand treten, sind sie kaum voneinander zu unterscheiden. Alle tragen hautfarbene Kompressionsunterwäsche, ihre Haare sind sorgfältig überklebt. Nur durch seine Körpergröße fällt Thomas Braus aus dem Rahmen, den Ausstatterin Hanna Rode setzt. Er ist es, der wenig später in die Rolle des Herzogs von Gloster schlüpft. Vor dem historischen Hintergrund der „Rosenkriege“ will dieser um jeden Preis König von England werden. Richard III. (1452-1485) hat William Shakespeare um 1592 in seinem gleichnamigen Drama verewigt – als exemplarischen Bösewicht.
Wenn der Wuppertaler Intendant Thomas Braus den gewissenlosen Aufsteiger spielt, laufen einem kalte Schauer über den Rücken. Während er heuchelt und intrigiert, deutet er ein diabolisch kaltes Grinsen an. Und je näher er seinem Ziel kommt, desto häufiger sieht man den Wahnsinn in seinen Augen flackern. Denn wer alle hintergeht und jedem mißtraut, öffnet dem Realitätsverlust Tür und Tor.
Hinter dieser packenden Leistung brauchen sich seine Mitspieler nicht zu verstecken. Überzeugend verwandeln sie sich in ihre Figuren. Prägnante Kostüme, Requisiten und grelle Schminke tun ihr Übriges. Regisseur Henri Hüster zeigt Braus als Teil einer aristokratischen Elite, der Skrupellosigkeit und Rollenspiel zur zweiten Natur geworden ist.
 

v.l.: Julia Wolff, Thomas Braus, Julia Meier - Foto © Uwe Schinkel

Wenn Julia Reznik als Lady Anne bitter den Tod des Gatten beklagt, schwingt theatralisch Gekünsteltes mit. Verflucht Miko Greza als Königin Margaret – in dieser Inszenierung spielen selbstverständlich auch Männer Frauen und Frauen Männer – neben Richard den gesamten Hofstaat, stellt sich kein Mitleid für die nun machtlose Herrscherin ein.
Vor diesem Hintergrund scheint der Aufstieg von Gloster unaufhaltsam, weil alle um ihn herum lügen und manipulieren – nur eben weniger erfolgreich als er. Selbst die inszenierte Klärung der Verhältnisse zeigt keine Wirkung. Die Blutwand – Symbol der allgegenwärtigen Gewalt – wird gereinigt und gibt doch nur den Blick frei auf einen Spiegel, der die Wirklichkeit willkürlich verzerrt.
 
Verfremdend ist auch Vasna Aguilars Choreographie, nach der sich die Schauspieler bewegen. Als hätte der Geist des verkrüppelten Gloster von ihnen Besitz ergriffen, präsentieren sie sich in bizarren Verrenkungen. Die Groteske setzt sich im kakophonischen Stimmengewirr fort – ein Effekt, der allerdings auf Dauer nervtötend wirkt.
Akustisch nicht zu verstehen ist leider alles, was die beiden Kinderdarsteller als Prinz von Wales und Richard von York auf der Bühne sagen. Umso gelungener ist dagegen die Sprachkunst von Martin Petschan und Konstantin Rickert, die als schwäbelnde Auftragskiller über unwillkommene Gewissensbisse diskutieren. Eine wirklich komische Szene.
Einen bleibenden Eindruck hinterläßt schließlich auch die Musik von Florentin Berger-Monit und Johannes Wernicke. Mit Synthesizer-Klangflächen und Maschinenrhythmen erinnert sie daran, daß der Machtpolitiker Richard III. ein durch und durch zeitgenössischer Charakter ist.


v.l.: Thomas Braus, Julia Wolff, Julia Meier - Foto © Uwe Schinkel

„Richard III.“ ist wieder am 16. Mai im Theater am Engelsgarten zu sehen. Es folgen Aufführungen am 17., 23., 25., 26. und 31. Mai sowie im Juni.
Weitere Informationen: www.schauspiel-wuppertal.de
 
Daniel Diekhans