Bilder und Texte zu einem alltäglichen Stillstand

Brigitte Kölle / Claudia Peppel - „Die Kunst des Wartens“

von Frank Becker

Umschlagfoto: Ursula Schulz-Dornburg

Die Kunst des Wartens
 
Bilder und Texte zu einem alltäglichen Stillstand

Manche warten auf ihre Weiterfahrt, manche auf eine Rückkehr.
Manche wissen nicht mehr, daß sie warten.
Jenny Aloni
 
Die einen warten auf Godot, andere auf den Bus, viele andere auf das Glück oder den richtigen Moment. Wir verbringen einen großen Teil unseres Lebens damit, zu warten, sei es für einen Stempel auf dem Amt oder auf die Geliebte beim Rendezvous, auf den Startschuß, auf die Antwort auf eine entscheidende Frage, auf den Moment der Freiheit oder auf den erlösenden Schluß.
 
Brigitte Kölle und Claudia Peppel haben sich zu verschiedenen Zeiten und unterschiedlichen Orten dem Thema in Ausstellungsprojekten genähert. 2016/17 kuratierte Claudia Peppel am ICI Berlin (Berlin Institute for Cultural Inquiry) die Themenausstellung „The Waiting Room“, und 2017 folgte Brigitte Kölle in der Kunsthalle Hamburg mit ihrer Ausstellung „Warten. Zwischen Macht und Möglichkeit“. Gemeinsam haben sie unter dem Titel „Die Kunst des Wartens einen zusammenfassenden Katalog erarbeitet, der unter Zuhilfenahme literarischer, essayistischer und wissenschaftlicher Texte zahlreicher Beiträger sowie Fotos, Filmstills und Gemälden dem „Zustand“ des Wartens – denn ein „Vorgang“ kann es nicht sein – und eigener Esays auf den Grund gegangen. Das so entstandene Buch schreibt im Klappentext: „Wir alle warten. Auf dem Amt, im Krankenhaus, an der Grenze, in der Leitung, auf Weihnachten, auf den Schlaf, auf das erlösende 1:0. Warten ist Teil unseres Lebens. Obwohl Warten mit Hoffnung verbunden ist, wird es nicht selten als leere oder gestohlene Zeit erlebt, als langweilig, ja quälend. An der Dauer und der Art des Wartens läßt sich der Status eines Menschen ablesen: Wer Macht und Geld hat, kauft sich vom Warten frei oder läßt warten. Aber das Warten kann auch einen Freiraum bieten für Reflexion, Kreativität und Entschleunigung. Brigitte Kölle und Claudia Peppel erkunden verschiedene Arten des Wartens in den Werken und Positionen vor allem zeitgenössischer Film- und Fotokünstler und verbinden sie mit literarischen oder essayistischen Texten über das Warten. Bilder und Texte verdichten sich zu einer verblüffenden Analyse unserer Gegenwart. Mit Werken von Giulia Bruno, Vajiko Chachkhiani, David Claerbout, Andrea Diefenbach, Omer Fast, Gerhard Gäbler, Andreas Gursky, Candida Höfer, Tobias Zietony und vielen anderen.“
 
Zu diesen anderen gehören u.a. auch Thomas Brasch, Kurt Tucholsky, Samuel Beckett (wie auch nicht?), Franz Kafka, Monika Wagner, Johannes Vincent Knecht, Lion Fuchtwanger, Ursula Schulz-Dornburg mit ihren beeindruckenden Haltestellen-Fotos aus Armenien, sowie Bernd Lindner, der über die Fotos von Gerhard Gäbler zum Wartestand der letzten Jahre der DDR schreibt und Konrad Tobler, der die Wartesaal-Bilder von Jean-Frédéric Schnyder analysiert. Der spannende Katalog zeigt die fast unerschöpfliche Vielseitigkeit des Wartens und ist in der Auswahl von Text und Bild äußerst gelungen.
 
Brigitte Kölle / Claudia Peppel - „Die Kunst des Wartens“
© 2018 Verlag Klaus Wagenbach, 168 Seiten, Klappenbroschur, 20,5 x 23,,5 cm – ISBN: 978-3-8031-3679-4
28,- €
Weitere Informationen: www.wagenbach.de