Bright New Look

Jim Heimann, Steven Heller – „Mid-Century Ads“

von Frank Becker

Bright New Look
 
US-Werbung der 50er und 60er Jahre
 
Schmökern Sie auch so gerne in alten Zeitschriften der 1950er und 1960er Jahre, jedoch nicht der Nachrichten von gestern wegen, sondern wegen der herrlichen Werbung? Beim Blättern in einer Life, einer McCall´s, Saturday Evening Post oder Look dieser Zeit öffnet sich dem Betrachter ein Fenster zum Alltag einer Kulturepoche, die nach dem Zweiten Weltkrieg Gesellschaft, Wirtschaft und Konsumverhalten völlig neu geordnet hat. Was damals, vor einem guten halben Jahrhundert in den USA beworben wurde und wie es geschah, skizziert das von dem bewährten Autorenteam Jim Heimann / Steven Heller zusammengestellte kompakte Buch „Mid-Century Ads“. Der Taschen Verlag, dem schon die Reihe „All American Ads“ (hrsg. ebenfalls von Jim Heimann) und das opulente „20th Century Alcohol & Tobacco Ads“ von Jim Heimann / Steven Heller zu verdanken sind, legt mit diesem kleinformatigen Kompendium (15x20x4,5 cm) zu einem unerhört günstigen Preis ein chronologisch geordnetes handliches Referenzwerk zur US-Werbung der 50er und 60er vor.
 
Es ist höchst interessant, zugleich amüsant und sehr informativ zu sehen, was einer äußerst ideenreichen Werbeindustrie eingefallen ist, um Mode und Zigaretten, Autos und Bier, Pflasterstreifen und Küchengeräte, Schnaps und Möbel, Milch und Müsli, Limonade und Hundefutter, Flugreisen und Ketchup, Hüfthalter und Handfeuerwaffen Fernsehapparate und Toilettenpapier, Mieder und Telefone an die Hausfrau und den Mann, an die Mutter und an den Reisenden zu bringen.


„Dieses nach Sichtung Tausender von Werbeanzeigen sorgfältig zusammengestellte Buch präsentiert die Krönung der amerikanischen Printwerbung im Zeitalter der „Big Idea“. Die bunten und originellen Kampagnen malen ein faszinierendes Bild der 1950er- und 1960er-Jahre und dokumentieren, wie die Angst vor dem Kalten Krieg immer mehr dem sorgenfreien Kapitalismus der Mad-Men-Ära wich, in der hemmungslos gequalmt und gesoffen wurde“, schreibt der Verlag im Klappentext zutreffend. Die Bilder wurden digital überarbeitet und genügen in Schärfe und Farbintensität auch den heutigen hohen Qualitätsansprüchen. Der einzige Haken ist, daß bei der Reduzierung des Original-Zeitschriften-Formats die Schrift so klein geworden ist, daß das Lesen nicht immer leicht fällt.

 

 

Für mich als Fan der 50er und 60er und schon immer von den Strategien und der Gestaltung von Werbung faszinierter Leser ist „Mid-Century Ads“ eine herrliche Fundgrube – und ich glaube, Ihnen garantieren zu können, daß auch Sie sich in diesem Buch beim Schmökern genüßlich verlieren werden. Auch bei jedem weiteren Aufschlagen werden Sie immer wieder Neues entdecken und bekannten Gesichtern begegnen. So warb CBS-Nachrichtensprecher Edward R. Murrow für Kaffee, Zsa Zsa Gabor und Benny Goodman für Smirnoff Wodka, Fred Astaire für Knoll Möbel, der Western-Star James Arness für L&M Zigaretten und der Schauspieler und nachmalige US-Präsident Ronald Reagan für Jeris Haarwasser. Wir haben für Sie ein paar der zahllosen wunderbaren Werbeseiten exemplarisch ausgesucht, was und bei der Fülle nicht leicht gefallen ist, und wünschen Ihnen viel Vergnügen!

 

 

Es wird Ihnen aber auch auffallen, daß das Geschlechterbild in der Werbung Klischees der Rollenzuweisung entsprach, die heute (bei einigen sehr) verpönt ist, nämlich die Frau als Weibchen, fröhliche Haushaltssklavin, Dienende und Jagdbeute darzustellen. Anders als heute trennte die Werbung durchaus noch Schwarz und Weiß, gemeint sind die Hautfarben der Amerikaner, und Gesundheitsrisiken im Zusammenhang mit Tabak- und Alkohol-Konsum spielten keine Rolle. Wir sprechen von einer Zeit, in der Frauen ihren Ehemännern ein schönes Heim zu gestalten hatten, und die Zigarette z.B. zum sozialen Miteinander gehörte. Das Anbieten und gemeinsame Rauchen schuf und förderte gesellschaftliche Kontakte, der gemeinsame Feierabend-Drink war ein soziales Ritual. Das Auto war weit mehr als nur ein praktisches Fortbewegungsmittel, es war in Zeiten von ausladenden Heckflossen, überdimensionierten Karosserien und gewaltigen Kühlergrills ein in Zentimetern messbares, tonnenschweres Statussymbol - Namen wie Cadillac, Plymouth, Dodge, Chevrolet, Chrysler, DeSoto oder Pontiac stehen dafür, bevor europäische Kleinwagen wie der VW und die Dauphine von Renault auf den amerikanischen Markt drängten.
 
 

 

Die Autoren:
Der Kulturanthropologe und Grafikdesign-Experte Jim Heimann ist Executive Editor bei TASCHEN in Los Angeles. Er ist Autor zahlreicher Bücher über Architektur, Popkultur und die Geschichte der amerikanischen Westküste, insbesondere Los Angeles und Hollywood. Seine einzigartige Privatsammlung von Kuriositäten war schon in Museen der ganzen Welt und in vielen seiner Bücher zu bewundern.
Steven Heller ist Co-Vorsitzender des Studiengangs „School of Visual Arts MFA Designer as Author“. Er war 33 Jahre lang Art Director der New York Times, schreibt die Kolumne „Visuals“ für die New York Times Book Review und ist Autor von 120 Büchern über Grafikdesign, Illustration und politische Karikatur.

 

 
Jim Heimann, Steven Heller – „Mid-Century Ads“
Mehrsprachige Ausgabe: Deutsch, Englisch, Französisch
© 2015 Taschen GmbH, Bibliotheca Universalis - 720 Seiten, gebunden, 14 x 19,5 x 4,5 cm, Lesebändchen, Index - ISBN 978-3-8365-5632-3
15,- €

 

Weitere Informationen:  www.taschen.com