Ein temperamentvoller Abgesang auf den Stummfilm

„Singin in the Rain“ in einer wirkungsvollen Bühnenfassung

von Frank Becker

Und hier das Hollywood-Traumpaar" - v.l.: Pinar Kayi, Florian Siegmund, Anastasiia Jungk - Foto © Martin Mazur

Ein temperamentvoller Abgesang auf den Stummfilm
 
Das Filmmusical „Singin in the Rain“
in einer wirkungsvollen Bühnenfassung
 
Inszenierung: Ralf Budde – Musikalische Leitung: Stefan Hüfner – Choreographie: Nadja Görts – Bühne: Jan Bauerdick & Benedikt Fiebig – Kostüme: Mariola Kopczynski – Maske: Heike Kehrwisch – Filme: Siegersbusch Film - Fotos: Martin Mazur
Besetzung (Premiere): Anastasiia Jungk (Lina Lamont) – Karim Oubad (Cosmo Brown) – Hannah Dickel (Zelda Sanders, Passantin, Mrs. Phillipps u.a.) Pinar Kayi (Mary Margaret, Showgirl, Passantin u.a.) - Florian Siegmund (Don Lockwood) – Annika Tahiri (Kathy Selden) - Leonie Hackländer (Showgirl, Mrs. Dinsmore u.a.) – Leon Gleser (Roscoe Dexter, Polizist) - Dennis Gottschalk (Filmeinspielung) - Thomas Braus (Filmeinspielung)
 

Noch hat Lina Oberwasser - v.l.: Florian Siegmund, Annika Tahiri, Karim Oubad, Anastasiia Jungk, Leon Gleser - Foto © Martin Mazur

Der Maßstab

Hollywood 1927: Der Stummfilm, von der technischen Revolution des Tonfilms eingeholt, wird Geschichte. Nun heißt es für das Studio unserer Geschichte (verkörpert duch Leon Gleser und Hannah Dickel) und die Stars Don Lockwood (Florian Siegmund) und Lina Lamont (Anastasiia Jungk) sich der akustischen Wirklichkeit zu stellen. Don gelingt es leicht, doch das blonde Dummchen Lina hat mit ihrem begrenzten Stimm-Potential ganz schlechte Karten. Die Lösung wird in der Synchron-Stimme der Anfängerin Kathy Selden (Annika Tahiri) gefunden, die sich nach allerlei Kabale mit Hilfe ihrer Freunde gegen die intrigante Lina Lamont durchsetzt.  „Singin´ in the Rain“ von Stanley Donen und Gene Kelly brachte das Thema mit viel Schwung und Humor 1952 auf die Leinwand. Das Filmmusical ist durch seine grandiosen, turbulenten Tanznummern und den Charme seiner drei Hauptdarsteller Debbie Reynolds, Gene Kelly und Donald O´Connor zum vielfach ausgezeichneten Maßstab des Tanzfilms geworden.
 

Tonfilm? Geht doch! - v.l.: Florian Siegmund, Hannah Dickel, Karim Oubad - Foto © Martin Mazur

Gewagt - gelungen

Da ist es schon ein Wagnis, es auf eine Bühne, zumal eine kleine zu bringen, denn unvergeßlich ist vor allem die legendäre Szene, in der Hauptdarsteller Gene Kelly als glücklich verliebter Don in bester Laune durch strömenden Regen und große Pfützen stept. Das läßt sich im TiC-Atelier natürlich nicht umsetzen, aber wirkungsvoll durch eine gelungene Ensemble-Nummer (Choreographie, ohne Regen und ohne Step gut gelöst: Nadja Görts) ersetzen. Ralf Buddes Inszenierung für das TiC-Theater muß dank bühnentauglicher Änderungen und Reduzierungen den Vergleich nicht scheuen, indem sie auf die von Stefan Hüfner kongenial eingespielte Musik (wer braucht da schon noch das Original?), die erwähnte Choreographie, das wandelbare Bühnenbild mit Trottoir durch den Saal von Jan Bauerdick & Benedikt Fiebig und ein begabtes, begeistertes Ensemble setzt.
Ebensowenig wie das Titelstück ist die zweite geniale Nummer des Films, das artistische Glanzstück „Make `em laugh“ von Donald O´Connor für ein Laienensemble unmöglich 1:1 zu verwirklichen – doch Ralf Budde hat auch hier den richtigen Einfall, sie geschickt zu der schmissigen Ensemblenummer „Ohne Tanz…“ umzuschreiben – und es funktioniert. Und mit einem weiteren Kunstgriff, dicht am Film, bringt die Inszenierung ihr Publikum sofort auf ihre Seite, einigen urkomischen Stummfilm-Einspielern mit Florian Siegmund, Anastasiia Jungk und Dennis Gottschalk. Ein köstliches Überraschungs-Bonbon ist eine weitere Einspielung, für die Wuppertals Schauspiel-Intendant Thomas Braus als Erklärer des neuen Mediums Tonfilm vor die Kamera getreten ist – ein komödiantisches Schmankerl.


„Was läuft hier schief“ - Anastasiia Jungk - Foto © Martin Mazur

Feine Ensemble-Leistung, beachtliche Soli

Selbstverständlich macht die Ensemble-Leistung den Erfolg einer Inszenierung aus. Das ist auch hier der Fall, es sind unterhaltsame, amüsante und mitreißende zweieinhalb Stunden inklusive Zugaben. Dennoch schälen sich im Laufe eines Abends Figuren heraus, die dem Ganzen eigenen Glanz geben. Hier ist allen voran Anastasiia Jungk zu nennen, die als falsett-krächzende Lina Lamont nicht nur mit ihrer Komik begeistert, sondern sich als Charakterdarstellerin von Rang erweist, die dramatisch mitnimmt. Ihr brillantes Solo „Was läuft hier schief“ gehört zum Besten des Abends. Hut ab vor dieser Leistung, die sogar die Rolle der unglücklichen Zicke, die so gerne geliebt würde, sympathisch macht. Karim Oubad ist als Cosmo Brown eine Offenbarung an Stimme, Talent und Eleganz, und Hannah Dickel zeigt sich fünffach besetzt im Chorus mit Pinar Kayi und Leonie Hackländer als ein Sidekick mit enormem Potential.

Für Glanz auf der Bühne sorgen auch die Kostüme von Mariola Kopczynski, die wunderbar das Zeitkolorit der ausklingenden „Roaring Twenties“ spiegeln – bis auf das von Annika Tahiri, die arg hausbacken ausgestattet wurde und leider auch so wirkt. Sie kann trotz vieler Sympathiepunkte nicht mithalten, während ihr Partner Florian Siegmund seinen Part auch stimmlich souverän abliefert und Jungk, Dickel und Oubad Glanzlichter setzen.

Die aufwendige, schön ausgestattete und insgesamt temperamentvolle TiC-Inszenierung von „Singin´ in the Rain“ jede Empfehlung wert – ein unterhaltsamer, schwungvoller, heiterer und gelungener Abend, an dem viel gelacht und mitgewippt wird und der einfach nur Spaß macht.
 
Weitere Informationen: www.tic-theater.de