Dieser „Dumbo“ reist nur auf seinem Namen

„Dumbo“ von Tim Burton

von Renate Wagner

Dumbo
(USA 2019)

Regie: Tim Burton
Mit: Colin Farrell, Danny DeVito, Eva Green, Michael Keaton, Finley Hobbins, Nico Parker, Alan Arkin u.a.
 
Dumbo, das Elefantenbaby mit den Riesenohren, wie er so durch die Lüfte fliegt – das ist eine Kindheitserinnerung für viele, auch wenn sie jüngere Jahrgänge sein mögen. Entstanden im Krieg, zwischen „Fantasia“ und „Bambi“, war dies die hohe Zeit der Zeichentrickkunst der Disney Studios. Die Bilder fanden sich auch in Kinderbüchern wieder, und das Besondere geht nicht verloren.
Und Klassiker können (sollen, müssen, wenn es nach den großen Studios geht) immer wieder an der Kinokasse „gemolken“ werden. Wenn schon so viele Comic-Helden „lebendig“ auf der Leinwand erschienen sind, wenn Disney selbst seine einst mit Zeichenstift „erdichteten“ Klassiker „lebend“ gemacht hat, warum nicht „Dumbo“? Zumal heute, wo die Computer so weit sind, daß es keine erkennbaren Schnittstellen zwischen „Echt“ und „Gemacht“ mehr gibt?
Allerdings mußte man rund um den kleinen Helden eine völlig neue Geschichte erfinden, denn der originale Film spielte faktisch nur unter Tieren und behandelte – neben dem klassischen Disney-Thema „Mutter und Kind“ – eigentlich eine Außenseiter-Situation: der in seinem Verhalten „abweichende“ Elefant, der seinen Artgenossen peinlich ist. Da mußte man sich was Neues ausdenken, und Drehbuchautor Ehren Kruger hat eine große „Zirkus“-Geschichte darum gebaut, offenbar nach dem Ersten Weltkrieg angesiedelt, mit allen Ingredienzien, die dazu gehören. Voran zwei kluge, liebe, aufgeweckte Kinder, wie man sie sich nur wünschen kann (die 14jährige Nico Parker, mit ernsthaft-klugem Gesicht, dominiert als Millie, Finley Hobbins trottet als ihr jüngerer Bruder hinter ihr her). Dazu kommt ein verwitweter Papa, der mit nur einem Arm aus dem Krieg zurückkommt, aber trotzdem ein toller Mann ist: Colin Farrell ist mit dem gänzlich unprofilierten Gutmenschen weitgehend unterfordert. Dazu kommt eine Schar Artisten (eindrücklich: der indische Mann mit der Riesenschlange, Roshan Seth), die im „Familienzirkus“ von „Max Medici“ noch mit Dampfeisenbahn durch das ländliche Amerika reisen, und dieser Max Medici ist kein Geringerer als Danny DeVito, den man meint, seit Jahrzehnten nicht mehr auf der Leinwand gesehen zu haben, der aber optisch und in seinem persönlichen Witz (und auch der Herzlichkeit) völlig unverändert wirkt. Als eine frisch gekaufte Elefantenfrau ein Baby mit übergroßen Ohren bekommt, dessen sich die Kinder gleich annehmen, ergibt sich irgendwann das Wunder, daß der kleine Racker fliegen kann…
 
Aber eine solche Geschichte kann ja nicht nur Jubel, Trubel, Heiterkeit sein, sie bleibt auch langweilig genug, wenn die kapitalistischen Bösewichte auftauchen, die, ganz im Sinn heutiger Firmenübernahmen, den ganzen Zirkus-Krempel kaufen und ihn in den riesigen Vergnügungspark „Dreamland“ versetzen. Eigentlich wollen sie ohnedies nur Dumbo, der Rest der Belegschaft sieht sich in kürzester Zeit auf der Straße.
Alan Arkin als zynischer Banker und vor allem Michael Keaton als geschleckter Unternehmer V. A. Vandevere (dem man alles Böse wünscht), haben die attraktive Eva Green als Trapezkünstlerin an ihrer Seite, von der man nicht sicher weiß, ob sie zu den Guten oder den Bösen zählt. Jedenfalls will sie auf dem fliegenden Dumbo reiten (per Computer geht so was)… und um die Zirkusszenen plus Katastrophe dreht sich dann alles. Aber eigentlich gänzlich ohne Schwung.
Tim Burton hat für Disney schon die „Alice im Wunderland“ auf die Leinwand geschickt, und da konnte er in der absurden Geschichte auch eine Menge von seiner eigenen Absurdität einbringen. Was „Dumbo“ betrifft, so hat er noch nie so wenig Biß gezeigt und sich so sehr verbogen, um Disney Süßlichkeit zu produzieren, die auch noch ziemlich langatmig ist.
Und noch eines. Wie immer „glaubhaft“ der scheinbar „echte“ fliegende Dumbo aus dem Computer flattert: Dem Zauber des „gezeichneten“ fliegenden Elefanten kommt er nicht einmal in die Nähe, auch wenn er gelegentlich noch so herzig dreinschaut. Als „Figur“ hat er keinerlei Umriß, und das wieder ausgereizte Thema des Tier-Kleinkinds, das nach seiner Mutter ruft (metaphorisch, hier, im „Menschenfilm“, reden Tiere nicht), wird auch auf keine Tränendrüse drücken. Ein Musical ist es auch nicht geworden, wie sonst bei Disney oft, eine tolle Show kaum… dieser „Dumbo“ reist nur auf seinem Namen.
 
 
Renate Wagner