Eine Perlenkette glänzender Dialoge

„Celestina“ eine Tragikomödie von Manfred Wekwerth

von Frank Becker

Eine Perlenkette glänzender Dialoge
 
„Celestina“
 
Uraufführung einer Tragikomödie von Manfred Wekwerth,
nach dem Spanischen des Fernando de Rojas
mit Musik von Syman
 
Inszenierung: Manfred Wekwerth - Musik: Syman - Bühne: Joachim Vogler

Besetzung: Sempronio (Matthias Clauß) - Parmeno (Karlheinz Schmitt) - Calisto (Dominik Breuer) - Melibea (Anna-Gabriele Stahl) - Celestina (Renate Richter) - Elicia (Nina Schorn)

Der Rittersaal des von heftigem Regen umtobten Solinger Schloß Burg erlebte am Freitagabend vor fast ausverkauftem Haus eine Premiere, wie Theaterfreunde sie lieben. Das Westdeutsche Tourneetheater Remscheid (WTT) hatte eine Uraufführung zu bieten, die viel versprach – und noch mehr hielt.
Gegeben wurde „Celestina“ eine Tragikomödie oder komische Tragödie aus der Feder des mit allen Theaterwassern gewaschenen Prof. Dr. Manfred Wekwerth, frei nach der Romanvorlage des Spaniers Fernando de Rojas aus dem Jahr 1499. Amerika war entdeckt und die Inquisition führte mit dem brandigen Geruch der Scheiterhaufen ihr Schreckensregiment, als de Rojas anonym die ganz unmoralische Geschichte des Liebespaares Calisto und Melibea schrieb. Um zusammenzukommen, bedienen sie sich der verrufenen Dienste der Kupplerin Celestina (Renate Richter) und der Diener Calistos, Sempronio und Parmeno, müssen jedoch an Widrigkeiten scheitern, wie manch andere Figur der Liebesintrige. Herausgekommen ist eine turbulente Burleske, die modern, spritzig und sehr pfiffig in historischer Kulisse ein pointiertes Feuerwerk mit Brecht´schen Figuren und brillanten Texten der Schule Dario Fos abbrennt.

Wekwerth, der als alter Fuchs auch die Regie in die geschickte Hand genommen hat, ist ein großer Wurf, eine schimmernde Perlenkette glänzender Dialoge in reicher Sprache gelungen, die bibelfest und politisch aktuell mit viel Augenzwinkern durch und durch Freude macht. Daß er dabei schmunzelnd bei seinem Lehrmeister Brecht räubert, wenn er sagt: „Gaunerei ist der ehrlichste Weg, sich der ganz großen Gauner zu erwehren“, zeigt umso mehr seinen Witz. Und ihm ist ein Stück ohne Nebenrollen, eine Inszenierung ohne Schwächen geglückt, die mit dem Genre der Vagantenbühne jonglierend, falsche Moral, Borniertheit und Habgier bloßstellt, ohne Moralinsäure zu verspritzen.
Wekwerths ausgezeichnetes Personal zeigt sich als Komödiantentruppe par excellence. Vom verschlagenen Sempronio (Matthias Clauß), dem moralisch verrenkten Parmeno (Karlheinz Schmitt) und dem gehemmt verliebten Calisto (Dominik Breuer) über die temperamentvolle Melibea (Anna-Gabriele Stahl) und die dummschlaue Celestina bis hin zu Nina Schorn, die prachtvoll die saftige, kaltschnäuzige Hure Elicia gibt, stimmt alles. Daß am Ende die Szene von Leichen übersät ist, macht nichts. Nach dem Schlußwort des Prinzipals Jaschi Jaschinski müssen eh´ alle wieder aufstehen und die Bühne abbauen. Ein Mords-Spaß!


v.l.: Matthias Clauß, Dominik Breuer, Anna-Gabriele Stahl - Foto: WTT

Die nächsten Termine: 25.10., 19.30 Uhr und 26.10., 18.30 Uhr.
 
Frank Becker, 19.10.02