„Jüdische Welten“

Das Paul Spiegel Filmfestival in Düsseldorf

Are/Red./Bec.

Paul Spiegel Filmfestival
Jüdische Welten“

beginnt am 4. April in Düsseldorf
 
Vom 4. bis zum 14. April findet in Düsseldorf das inzwischen 14. Paul Spiegel Filmfestival „Jüdische Welten“ statt. Die Durchführung eines jüdischen Filmfestivals in Düsseldorf geht auf die Initiative des damaligen Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland und Ehrenmitglieds des Gemeinderates der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf K.d.ö.R., Paul Spiegel (sel. A.) zurück. Im Jahr 2005 initiierte Paul Spiegel die ersten jüdischen Filmtage in Düsseldorf. 
 
Das Judentum und die jüdische Kultur werden im Schulunterricht fast ausschließlich im Kontext des Nationalsozialismus angesprochen. Der Anstieg des Antisemitismus und Antiisraelismus in Deutschland, sei es der Skandal wie derjenige um die Echo-Verleihung oder die Angriffe in Berlin, zeigen deutlich, daß Intoleranz sehr oft aus Unwissenheit entspringt.
Um ein realistisches Bild des Judentums und die Vielfalt der jüdischen Identitäten, die sich nicht nur auf eine religiöse Dimension reduzieren lassen, zu vermitteln, organisiert die Jüdische Gemeinde Düsseldorf K.d.ö.R. das Paul-Spiegel-Filmfestival „Jüdische Welten“.
Der Schwerpunkt des Festivals liegt in der filmischen Auseinandersetzung mit allen Facetten des jüdischen Lebens und dessen ständigen Wandels, in Deutschland, Israel, Europa und dem Rest der Welt.
 
Das Programm richtet sich bewußt sowohl an jüdisches als auch an nichtjüdisches Publikum. Das Paul-Spiegel-Filmfestival versucht mit den ausgesuchten Filmen die Aufmerksamkeit des breiten Publikums auf jüdische Themen abseits von Holocaust und Nahen-Ost-Konflikt zu richten, da diese Fragen nach wie vor noch den politischen Diskurs und auch das kulturelle Schaffen in Deutschland dominieren. Ohne diese Themen in den Mittelpunkt zu stellen, zeigt das Festival die jüdische Welten: jüdische Kultur, jüdische Traditionen, jüdische Mentalität sowie jüdische Familien in ihrer Vielfalt. Das Festival bietet die Möglichkeit sich mit dem Thema auseinanderzusetzen, die Berührungsängste zu minimieren und fördert den Dialog zwischen Juden und Nichtjuden.


© Ferenc Török

Zum Auftakt gibt es den Film „1945“ von Ferenc Török (Ungarn, 2017). Der Streifen widmet sich einer der Entstehungsmöglichkeiten des Antisemitismus in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg. Im August 1945 bereiten sich die Bewohner eines ungarischen Dorfes auf eine Hochzeit vor. Als zwei orthodoxe Juden mit einer mysteriösen Kiste mit der Aufschrift „Zerbrechlich“ am Bahnhof ankommen, fürchten alle im Dorf, daß die beiden Erben der im Zweiten Weltkrieg aus dem Dorf deportierten Juden sein könnten, die nun den Besitz ihrer unrechtmäßig enteigneten und ermordeten Vorfahren zurückverlangen wollen.
Die Nachricht über Überlebende des Völkermords bringt einige Unruhen ins Dorf, denn schließlich weiß jeder: Wer noch vor der allgemeinen Verschleppung die Juden aus dem Dorf denunziert hat, hat auch deren Haus mit Einrichtung als Belohnung bekommen.
Für diejenigen, die ihre europäische Geschichte kennen, ist es kein Spoiler zu sagen, dass viele Dorfbewohner in Ungarn und anderswo von der Deportation ihrer jüdischen Nachbarn profitierten. Regisseur Török und Co-Autor Gábor T. Szántó, auf dessen gefeierter Kurzgeschichte „Heimkehr“ dieses Drehbuch von „1945“ basiert, konzentrieren sich auf den Blickwinkel der Einheimischen, von denen fast alle, darunter auch der Priester (Béla Gados), Anteil haben an den Geheimnissen der erworbenen Gewinne.
Ferenc Török setzt auf kleine Gesten in seinem Film „1945“, welche die sozialen Verhältnisse und gleichzeitig ihren Zerfall bloßlegen. Dabei ist die Handlungszeit eng umrissen und dramaturgisch klug. Innerhalb der wenigen Stunden bleibt alle Zeit der Welt vom Morgen bis zum frühen Nachmittag, alle Figuren zu zeigen und jeder einzelnen dabei die eigene Entwicklung zu geben, die letztendlich auch auf die Entwicklung der anderen Figuren einwirkt. Gleichzeitig ist die Anlage der Handlung von größtem Reichtum und größter Ökonomie. Für die Bilder gilt dasselbe. Die Stimmung sommerlicher Hitze, sowie die sozialen Verhältnisse lassen sich in einem strengen Schwarzweiß erfahrbar gestalten. Die Tatsache, dass in Viktor Orbáns Ungarn dieser antifaschistische Film entstanden ist, wirkt als eine Art Wunder. Schon seit langem war im Kino eine so genaue, ästhetisch reiche und spannungsvolle Darstellung politischer und sozialer Vorgänge nicht mehr zu sehen.
 
Das Festival wird insegesamt elf Dokumentar- und Spielfilme präsentieren, darunter auch fünf Deutschland-Premieren. „Die ausgewählten Filme decken eine breite Palette von Genres ab: Liebeskomödie, Kriminaldrama, Tragikomödie und Drama“, erklärte Kuratorin Polina Ivanova, die Kuratorin des Festivals. Die Filme werden im Blackbox-Kino des Filmmuseums sowie in der UCI-Konowelt in Düsseldorf präsentiert. Zu sehen sind etwa „Äpfel aus der Wüste“ von 2014, der Zeichentrickfilm „Feivel, der Mauswanderer“ aus dem Jahr 1986, „Budapest Noir“ von 2017, „Das Testament“ von 2017 oder „Der letzte Anzug“ ebenfalls aus dem Jahr 2017.
 
Informationen:  www.juedischewelten.com  
 
Redaktion: Frank Becker