Der Abschaum der Macht

Theater Hof: Rigoletto

von Alexander Hauer

Anton Keremidtchiev (Rigoletto), Lubov Skrebets (Gilda) - Foto © H. Dietz Fotografie, Hof

Theater Hof: Rigoletto
Oper von Guiseppe Verdi

Musikalische Leitung: Walter E. Gugerbauer - Inszenierung: Lothar Krause - Bühne und Kostüme: Annette Mahlendorf - Chor: Claudio Novati// Roman Rothenaicher - Bilder von H. Dietz Fotografie, Hof
Besetzung: Der Herzog von Mantua: Minseok Kim - Rigoletto, sein Hofnarr: Anton Keremidtchiev - Gilda, seine Tochter: Lubov Skrebets - Sparafucile, ein Bravo: Rainer Mesecke - Maddalena, seine Schwester: Stefanie Rhaue - Giovanna, Gildas Gouvernante: Stefanie Rhaue - Graf von Monterone: Igor Storozhenko - Marullo, ein Höfling Thilo Andersson - Matteo Borsa, ein Höfling: Markus Gruber - Graf von Ceprano: Daniel Milos - Herzogin von Manuta, Page der Herzogin: Malgorzata Kusmierz
Herren Opernchor Theater Hof - Eingeteilte Damen Opernchor Theater Hof - Hofer Symphoniker 

Die Eröffnungspremiere ist immer eine besondere Angelegenheit. In Hof setzte man dieses Jahr auf Bewährtes aus der Feder Giuseppe Verdis. Man gab Rigoletto, jenes Drama um einen Vater und seine Tochter. Lothar Krause verlegte das Renaissancestück ins faschistische Mussolini-Italien.
Im mit gediegenem Biedermeiermöbelmobiliar gefüllten Bühnenbild tummelt sich der Abschaum der Macht. Liebling des Herzogs ist Rigoletto. Gezeichnet an Körper und Seele, im Gesicht durch ein Bristoler Lächeln markiert, wird er zum Vertrauten des Herzogs, zum Regisseur dessen makabren Spielen. Erfolg erzeugt Neider, und so trachten die Höflinge des Herzogs nach seinem Glück
 
Rigoletto führt ein Doppelleben. Auf der einen Seite der makabre Spaßmacher des Herzogs, auf der anderen Seite ein liebender, übervorsichtiger Vater. Zusammen mit seiner Tochter Gilda mußte er nach Mantua fliehen, wir erfahren nie die Gründe weshalb. Gilda wird in einem goldenen Käfig gefangen darf nur zur Kirche gehen hat keinerlei sonstige sozialen Kontakte. In der Kirche lernte sie einen jungen Mann kennen, der sie mit Hilfe der Haushälterin Giovanna zu Hause heimlich besuchen kann. Auf seinem Heimweg lernt Rigoletto den Auftragskiller Sparafucile kennen. Dieser bietet ihm seine Dienste an. Die Höflinge haben beschlossen, Rigolettos vermeintliche Geliebte, eben seine Tochter Gilda, zu entführen. Sie täuschen den Narren, und die Entführung gelingt.
Auch der Herzog vermißt Gilda und gewährt einen Blick in seine Seele. Die Trauer über den Verlust seiner Geliebten weicht in dem Moment einen Machismo, als die Höflinge zu ihm stoßen. Sofort wird er zum Tier, das sich, auch zur Freude der Hofschanzen, auf seine Weise Gilda widmet.
Rigoletto beschließt die Ehre seine seiner Tochter wiederherzustellen und beauftragt Sparafucile den Herzog zu töten. Der Duca besucht den Vorstadtpuff Sparafuciles, um mit dessen Schwester einen vergnüglichen Abend zu verbringen.
 

Minseok Kim (Herzog von Mantua), Lubov Skrebets (Gilda) - Foto © H. Dietz Fotografie, Hof

Gilda vereitelt den Mord am Herzog in dem sie sich selbst opfert. Rigoletto erkennt die Folgen seines gottlosen Lebens.
Musikalische auf höchstem Niveau spielen die Hofer Symphoniker unter Walter Gugerbauer, der sein Orchester stets transparent und niemals die Sänger überlagernd musizieren läßt. Minseok Kim ist ein sehr jugendlicher, erfolgsverwöhnter Herzog, der seine Bande nach seiner Pfeife tanzen läßt. Sein Tenor erfüllt alle Erwartungen an diese Rolle. Anton Keremidtchievs hell tembrierter Bariton entspricht nicht den üblichen Rigoletto Klischees, läßt aber durch feine Nuancen die verschiedensten Seelenzustände des Hofnarren deutlich erkennen. Die eigentliche Entdeckung des Abends ist aber Lubov Skrebets. Die junge Sängerin meistert die schwierige Partie der Gilda, als ob sie ihr Leben lang nichts anderes gesungen hätten. Ihre Koloraturen sind ein Fest für die Ohren, ihr natürliches Spiel, ein junges Mädchen an der Schwelle zum Erwachsenwerden, ein Fest für die Augen.
Rainer Mesecke gibt seinem Sparafucile durchaus sympathische Züge. Seinen Bass setzt er genauso souverän ein, wie der Killer seine Klinge. Stefanie Rhaue ist als Haushälterin Giovanna genauso überzeugend wie als Hure Maddalena. Ihre Stimme zieht alle Register ihres Fachs.
Auch die Nebenrollen kann das Theater Hof erstklassig besetzen. Egal ob es der Borsa Markus Grubers ist oder Thilo Anderssons Marullo, Igor Storozhenkos Graf von Monterone oder Daniel Milos Ceprano, sie alle schaffen es in ihren kleinen Rollen Zeichen zu setzen.
Annette Mahlendorfs Bühnenbild, ein klaustrophobischer Trichter, der in die Abgründe, in die Düsternis der Seelen führt, ist für die ganze Oper gültig. Einzige Veränderung für die jeweiligen Schauplätze ist das Mobiliar, vom Biedermeier der Mafiazentrale über das Metallbett Gildas, bis hin zum einfachen Holztisch bei Sparafucile.

Lothar Krause erfindet Verdis Rigoletto nicht neu, aber durch seine kluge Personenführung, die Tatsache, daß er jeder Figur eine eigene Geschichte gibt und dadurch eine vielschichtige Persönlichkeit, unterscheidet sich diese Rigoletto von der üblichen Durchschnittsware. Mittelpunkt seiner Inszenierung ist weder Rigoletto, noch der Herzog, Krause stellt Gilda in den Fokus. Ihr Schicksal, ihr Weg in den Tod wird als konsequente Folge von Ereignissen dargestellt. Im Finale, wenn Gilda von den Toten erwacht, erlaubt er sich etwas Versöhnlichkeit. Mit viel Bühnennebel und verheißendem blauen Licht gestattet er dem Mädchen den Schritt in ein besseres Leben, auch wenn es kein diesseitiges ist.
Der Premierenabend endete unter frenetischem Applaus mit stehenden Ovationen.
 
Alexander Hauer, besuchte Vorstellung am 22. September 2018, Premiere