Grüne Augen, Sommersprossen

Anne Kasprik – „Ich aus dem Osten“

von Frank Becker

Coverfoto © Oren Schmuckler
Grüne Augen, Sommersprossen
 
Anne Kasprik erzählt aus ihrem Leben
 
Schauspieler-Erinnerungen gehören zur unterhaltsamsten Lektüre, die man sich denken kann. Denn Schauspieler haben immer etwas zu erzählen, so bunt, bewegt und interessant wie ihr oft unstetes, häufig wenig planbares Leben ist. Hier haben wir einen ganz besonderen Fall vor uns: Die Erinnerungen von Anne Kasprik (55), einer Schauspielerin, die im sozialistisch geprägten und auch im Künstlerischen regulierten System der DDR aufgewachsen ist und ausgebildet wurde und der aufgrund ihrer hochrangigen Ausbildung an der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“, ihres großen Talents und ihrer Ausstrahlung in ihrem Land eine große Zukunft in Film, Fernsehen und Theater prophezeit werden konnte. Das Talent war ihr durch die Eltern vererbt worden: der Vater Hans-Joachim Kasprzik war ein erfolgreicher Regisseur in der DDR, die Mutter ebenfalls im Filmgeschäft.
 
Nach kleineren Theatererfahrungen hatte sie noch während der Ausbildung ihren ersten großen Fernseh-Erfolg in dem TV-Sechsteiler „Einzug ins Paradies“, der 1983/84 gedreht, aber aus politischen Gründen erst 1988 gesendet wurde – ein beachtliches Debüt der damals erst 20jährigen Anne Kasprzik (Kasprik nannte sie sich der einfacheren Schrebweise erst später) an der Seite von Stars wie Kurt Böwe, Barbara Dittus, Werner Tietze, Eberhard Esche, Ursula Werner, Jutta Wachowiak, Jürgen Heinrich, Rolf Ludwig, Ursula Karruseit, Friedhelm Eberle und Walfriede Schmitt. Bemerkenswerte Rollen u.a. in „Sachsens Glanz und Preußens Gloria“, „Vernehmung der Zeugen“, im „Polizeiruf 110“ in mehreren Episoden („Falscher Jasmin“ war 1990 die letzte und beste) und in Serien wie „Bereitschaft Dr. Federau“ und „Flugstaffel Meinecke“ folgten – bis die DDR und mit ihr das sozialistische Versorgungssystem für Kunstschaffende erlosch.
Anne Kasprik teilte das Los ihrer vielen Kollegen, die sich nun, ohne die gewohnte Grundversorgung, im Ringen um Existenz und Rollen dem hart umkämpften Wettbewerb Gesamtdeutschlands stellen mußten. Sie hatte es, wie viele andere ihres Jahrgangs auf der „Ernst Busch“, die sogenannte „Busch-Bande“ (Devid Striesow, Claudia Michelsen, Sven Martinek, Bernd Michael Lade, Jan Josef Liefers, Simone Thomalla, Leander Haußmann, Gerit Kling, Nina Hoss und Karsten Speck gehörten dazu) im Vergleich etwas leichter und wurde schnell wieder gebucht. Ab 1989 wurde sie mit Rollen in „Polizeiruf 110“, „Tatort“, „In aller Freundschaft“ und Rollen in zahlreichen Serien einem Millionenpublikum bekannt.
 
Anne Kasprik läßt in ihrem Buch diese deutsch-deutsche Entwicklung und die Folgen für Schauspieler und andere Kulturschaffende plastisch werden, macht greifbar, was es für den Alltag und das Leben bedeutete. Weder macht sie sich besser als andere, noch verschweigt sie eigene Mißerfolge und Rückschläge wie die Flops ihres Klamauk-Westerns an der Seite von Terence Hill und Bud Spencer und  des „Sahara-Projekt“ oder nach dem Casting eben keine Rolle im James Bond-Streifen oder in Rosamunde Pilcher-Episoden bekommen zu haben. In Anekdoten und Erinnerungen an Begegnungen mit Größen wie Rolf Hoppe, Jürgen Zartmann, Paul Kuhn, Billy Wilder, Hildegard Knef, Kevin Kostner, Jörg Gudzuhn, Andreas Schmidt-Schaller, Sebastian Koch u.v.a. skizziert sie ungemein sympathisch ihr bewegtes Leben.
Es sei „Keine Biografie, sondern ein Statement: eine Ost-Schauspielerin über die Liebe zu ihrer Heimat“, schreibt der Verlag im Klappentext. Auch der Titel „Ich aus dem Ostent“ drückt es aus. Das hat Hand und Fuß, denn sie hat zu Recht ihre Heimat geliebt, und das war nun mal die DDR. Heute wohnt sie nach Ausflügen in die Welt wieder in Kleinmachnow bei Berlin, wo sie bis zur deutschen Wiedervereinigung unmittelbar am Grenzzaun gelebt hatte.
 
Anne Kasprik – „Ich aus dem Osten“
© 2018 Eulenspiegel Verlagsgruppe / neues leben, 254 Seiten, gebunden, mit etlichen s/w-Abbildungen – ISBN: 978-3-355-01873-9
Buch 17,99 €
Weitere Informationen:  www.eulenspiegel.com