Raus aus der Komfortzone - rein in den Strudel heutigen Beziehungsgeschwätzes

„Wie gut ist deine Beziehung?“ von Ralf Westhoff

von Renate Wagner

Wie gut ist deine Beziehung?
(Deutschland 2019)

Regie: Ralf Westhoff
Mit: Julia Koschitz, Friedrich Mücke, Michael Wittenborn, Michael Maertens u.a.
 
Ich will, daß alles so bleibt, wie es ist“, sagt er zu ihr, und man könnte dies das Geheimnis einer guten Beziehung nennen. Aber es kann der Beste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt… und die Mitwelt kann an eine gute Beziehung wie jene von Carola und Steve einfach nicht glauben. Und als sein Freund Bob von seiner Frau verlassen wird, kommen Steve schwere Zweifel, ob seine Freundin wirklich glücklich ist, ob er auch alles richtig macht und was man sich noch so alles einreden kann…
 
Regisseur Ralf Westhoff hat vordergründig einfach eine Beziehungskomödie gedreht, tatsächlich aber leuchtet er – humorvoll und nachdrücklich zugleich – in die seltsamen Zwänge, die unsere Gesellschaft unbegreiflicherweise akzeptiert. Da engagiert eine funktionierende Firma eine Unternehmensberatung, um sich sagen zu lassen, was nicht stimmt. Keine Frage, daß die etwas finden (dafür werden sie ja bezahlt, sonst haben sie keinen Job) – und wenn sie es konstruieren müssen, auch gut. Da fragt eine verunsicherte Frau eine Verkäuferin, für wie alt sie sie hält – und diese bricht fast hysterisch zusammen, weil sie es für eine Test-Situation durch die Firmenleitung hält, um ihre Angestellten zu überprüfen. Da wird nach „Spiritualität“ gesucht, weil man gelernt hat, dem gesunden Menschenverstand nicht mehr zu trauen.
Die Sprüche überrennen nur so den Menschen und sagen ihm, was er zu tun hat: Raus aus der Komfortzone! Keine Angst vor Veränderung! Nicht kritikresistent sein! Fehler erkennen und daraus lernen! Erlebnisse schaffen! Schwingungen spüren! In einer Welt obsoleter Vorschriften und Ratschläge läßt man sich am Ende in etwas hineinhetzen und verliert den Boden unter den Füßen…
Das wird am Beispiel von Steve (Friedrich Mücke) gezeigt, der seine Carola aufrichtig liebt. Und sie ihn auch. Unaufgeregt. Alltäglich. Verläßlich. Aber seine Unsicherheit führt ihn (und leider auch das Drehbuch) zu den verrücktesten Aktionen – bis zur „Miete“ eines Guru, der seiner Freundin Avancen machen soll, damit er weiß, ob sie vielleicht unzufrieden ist… Der Hintergrund der Geschichte ist klüger als die Lustspiel-Aktion. Aber auch das funktioniert letztenendes.
 
Erstens dank Julia Koschitz, die als Carola einfach bezaubernd ist. Ihrerseits verunsichert, wenn Steve sich auf einmal so komisch benimmt, so überbemüht, so künstlich, mit Aktionen, die sie weder will noch braucht. Die mühevoll versucht, sich nicht blöd machen zu lassen, den gesunden Menschenverstand zu behalten, bis auch sie in den Strudel heutigen Beziehungsgeschwätzes hineingezogen wird. Das andere schauspielerische Juwel ist Michael Wittenborn als Wellness-Guru Harald: Die meisten Darsteller des Films sind braver, guter Durchschnitt. Wenn dann jemand kommt, der schon von seiner Theaterarbeit her weiß, wie man es wirklich macht, ist der Unterschied unübersehbar. Man braucht natürlich auch eine entsprechende Rolle: Auch Michael Maertens ist ein Theaterstar von Rang, aber in einer Büronebenrolle nähme man ihn nicht wahr, wenn man ihn nicht kennen würde.
Am Ende des Films weiß Steve, der sich in die abstrusesten Aktionen hineinhetzen ließ: Wenn ich gar nichts gemacht hätte, wäre alles gut. Die Amerikaner haben ein schönes Sprichwort: „If it ain’t broke, don’t fix ist“ – zu Deutsch etwa: Wenn es nicht kaputt ist, laß die Finger davon. Auch von Beziehungen. Zu viel Hinterfragen, zu viel Zeitgeist-Müll richtet nur Schaden an…
 
Trailer   
 
Renate Wagner