Beckfelds Briefe

An Hanns Dieter Hüsch

von Hermann Beckfeld

Hanns Dieter Hüsch - Foto © Paul Maaßen
Hanns Dieter Hüsch, unser eher verträumter Kabarettist, der große Kleinkünstler vom Niederrhein, der seine Heimat liebte und sich doch ein bißchen für sie schämte. Der Mann, der die Bühne brauchte, von der er einst verjagt wurde.
 
Lieber Hanns Dieter Hüsch,
Tach zusammen: Begrüßen Sie dort oben auf der letzten Bühne gerade Ihre Gäste und erzählen so herrlich unaufgeregt, mit holprig-schneller Stimme und wohltuenden Pausen Ihre Alltags-Anekdoten von Heini Hasenkamp, Frau Frieda und Tante Mariechen, von Opa, Oma und Vater, von Ihrer geliebten Heimat? „… am Niederrhein isset am schönsten, und zwar auf den vierten und fünften und sechsten Blick.“
     Heute schenke ich mir Erinnerungen. An unseren philosophischen Clown, den unermüdlichen Wanderprediger, den Poeten mit dem einst zotteligen Haar und den Bartstoppeln, den stillen, eher verträumten Kabarettisten, der die Arme mitreden ließ; ein Schauspieler, ein Sänger, ein „Einzelidiot“, wie Sie sagten. Ein Narr. Ich schenke mir Weisheiten, Wirrheiten: „Bis wir mal wat glauben, dat dauert furchtbar lang. Aber et kann natürlich auch sein, daß wir alles schon ahnen. Und et dann aber nicht glauben wollen. Weil et so schlimm is im Leben. Meistens.“
     Sie waren unser großer Kleinkünstler, so verloren hinter Ihrem Tisch auf viel zu großen, viel zu dunklen Bühnen, und beschrieben uns die Welt, wie sie ist, nicht wie wir sie gerne hätten. Sie haben uns geortet, geerdet, gelehrt, über den Schatten der eigenen Arroganz zu hüpfen, auch weil Sie über sich selbst lachen konnten. Noch ein Geschenk: „Der Niederrheiner weiß nix, kann aber alles erklären. Umgekehrt: Wenn man ihm etwas erklärt, versteht er nichts, sagt aber dauernd: Is doch logisch.“
     Sie waren so anders als die heutigen schrillen, vorlauten, manchmal so peinlichen Comedians. Sie konnten singen, sprechen, schreiben. Und dabei denken, dichten, drauflosreden. Nie hatten wir das Gefühl, dass Sie den Block, der vor ihnen lag, brauchen würden.
Ihre Kindheit war nicht lustig. Ihre Füße waren mißgebildet, Sie mußten mehrmals operiert werden, liefen in unförmigen Filzpantoffeln herum. Sie wurden von Kindern gemieden, hatten keine Freunde. Hanns Dieter Hüsch, das schwarze Schaf vom Niederrhein, und seine Selbstironie: „Die Füße haben mir mein Leben gerettet. Ich mußte nicht an die Front.“ Und als Jungkabarettist sangen Sie das Lied „Warum bin ich so unmuskulös?“.
     Hanns Dieter, das Kriegskind: Sie waren zehn, als Ihre Mutter nach langem Leiden starb. Im Bunkerkeller überlebten Sie einen schweren Luftangriff. Erst mußten Sie Medizin studieren, dann wollten Sie Opernregisseur werden und wurden dann doch Kabarettist, Schriftsteller, Schauspieler, Liedermacher, Synchronsprecher und Rundfunkmoderator. Ihre Welt, das war die Bühne, auch wenn Sie anfangs dort oben niedergepfiffen, von ihr verjagt wurden.
     In manchen Jahren waren Sie an mehr als 200 Tagen auf Tour, mit einem schier unerschöpflichen Repertoire. Das Leben erzählte Ihnen die schönsten Geschichten, und Sie erzählten sie humorvoll, kritisch, kauzig weiter. Bis zum Tod vor dreizehn Jahren: „Sie kennen ja sicherlich meine Grabinschrift. Die einen werden sagen, er hat zu viel gemacht. Die anderen werden sagen, er hat sich zu wenig bewegt. Ich aber sage euch, laßt mich in Ruh.“
 
Lieber Hanns Dieter Hüsch,
kein guter Schluß. Kommen Sie lieber noch einmal hinter dem Vorhang hervor und setzen sich auf den Stuhl hinterm Tisch. Ein kurzer Blick ins Publikum, dann kann es losgehen. „Tach zusammen. Na, wie isset denn? Gut!? Hauptsache!“



Mit freundlicher Genehmigung des Autors und des Verlags Henselowsky Boschmann.
„Beckfelds Briefe“ erscheinen jeden Samstag im Wochenendmagazin der Ruhr Nachrichten.
„Beckfelds Briefe“ gibt es auch in Buchform
Für das Foto stellte freundlicherweise Paul Maaßen zur Verfügung.
 
Redaktion: Frank Becker