Viel Diskurs und starker Brummer

„Im Schatten kalter Sterne“ debattiert in Wuppertal das Thema Kampfdrohnen

von Martin Hagemeyer

Stefan Walz - Foto © Uwe Schinkel
Viel Diskurs und starker Brummer
 
„Im Schatten kalter Sterne“
debattiert in Wuppertal das Thema Kampfdrohnen
 
Erst recht weil es heute um Technik geht: Wer skeptisch ist gegenüber viel Medieneinsatz beim Theater, muß fragen dürfen, wozu die Leinwand dient. Die Filmfläche aus neun Bildschirmen, die „Im Schatten kalter Sterne“ in Esther Hattenbachs Inszenierung begleitet - überraumfüllend, lautlos, aber beherrschend. Vielleicht etwas Reverenz an die Dimension der Opernbühne, die ja auch gefüllt sein will?

Zeitgenössische Dramatik auch im „Großen Haus“, das ist ein erklärtes Anliegen von Thomas Braus, womit der Intendant das Opernhaus meint – Neues gibt es sonst mehr im kleinen „Theater am Engelsgarten“. Gut soweit: Groß sein können auch aktuelle Stoffe, und das darf sich auf großer Bühne spiegeln. Autor Christoph Nußbaumeder verhandelt tatsächlich ganz große Themen: Verantwortung, Mensch gegen Maschine, Leben und Tod. Brauchen mag das die Oper nicht, wie vorab gemäkelt wurde – aber gestatten bestimmt.
Groß und klein zugleich ist auch das Thema, das wie gesagt technische: Mikrodrohnen, die aus der Luft töten, sind Sujet des Stücks und Metier von Wolfgang Anders, Softwareentwickler und Hauptfigur des Stücks. Für einen Rüstungskonzern programmiert er deren neueste Generation, präzise, autonom und daher „leider“ umstritten – aber letztlich: eine neue Produktlinie. Es ist diese geflissentliche Routine, auf der Martin Petschan einleuchtend sein Spiel aufbaut, als ginge es bei seinen Killermaschinen um ein Produkt wie jedes andere. Was, wenn etwas schiefgeht? „Das ist dann Sache der Justiz.“

Solche Sätze fallen oft. Es mag am großen Zuschnitt liegen, daß die Figuren bei Nußbaumeder weniger nach Konversation klingen als nach druckreifen Statements. Kontra kommt geballt, und zwar auch unerwartetes: Miko Greza als Wolfgangs Vater äußert Unbehagen an selbsttätigen Waffen nicht etwa als Pazifist, sondern als Freund des Militärs. „Wenn ich Krieg führen will, muß ich auch den Schneid haben, ihn zu führen.“ Und: „Beim Kampf muß doch ein Eigenrisiko dabei sein.“ Das sind plausible Figuren. Der Text bleibt trotzdem Diskursstück.
Auch die anderen verkörpern nicht zuletzt Positionen. Milena, Wolfgangs von Julia Meier gespielte Freundin, war früher nicht nur Nachtclubsängerin, sondern auch Escort-Dame der intimen Art, und auf Vorwürfe dazu gibt sie zurück: „Die wahren Huren seid ihr.“ Selbst das klingt hier mehr nach Argument als nach emotionalem Ausbruch. Einzige Ausnahme scheint da Alexander Peiler, der ein ungewohntes Element verkörpert, ein surreales nämlich: Thomas war Wolfgangs bester Freund und hat Kriegstraumatisierte versorgt, und nach seinem Unfalltod mischt er sich als Erinnerung in die Routine des Waffenprogrammierers.


Stefan Walz, Martin Petschan, Julia Meier - Foto © Uwe Schinkel

Und nun die Leinwand. Hinterm Geschehen, stumm: Ein Hochhauspanorama. Ein plätschernder Fluß. Wildgänse im Flug. Erklären mag sich das nun im Vergleich mit dem Spiel: Harmonisch und stetig die luftigen Bilder, wohlfeil und abgehoben auch die Gespräche. „Der soziale Staat lähmt die Eigenständigkeit des Menschen“, referiert Stefan Walz als Rüstungs-Chef Schroth das neoliberale Dogma - freilich tänzelnd und in feucht-fröhlicher Gesellschaft, während hinten auch die Bilder rotieren.
Wirklich sinnvoll wird die Filmwand jedoch gegen Ende. Im Text gibt es dann übrigens noch eine Intrige in der Konzernführung, doch die ist eher kriminalistisch und nicht besonders originell. Hattenbachs Inszenierung aber findet eine überraschende Volte, die hier einmal verraten sei – wir sind ja dann doch nicht beim „Tatort“. Die große Flimmerwand verschwindet, dafür ein winziger neuer Fixpunkt: Eine Drohne schwirrt auf die sonst leere Bühne, so klein und so bedrohlich; fast lautlos, aber beherrschend auch sie. Und es stimmt ja: Töten ist buchstäblich, Killermaschinen sind etwas fatal Materielles. Virtuell? Sind nur die Worte darüber und die Bilder dahinter.


Julia Reznik,Konstantin Rickert, Martin Petschan, Stefan Walz - Foto © Uwe Schinkel

Im Schatten Kalter Sterne Ein Drama In 30 Szenen Von Christoph Nußbaumeder
Aufführungsdauer: Ca. 1 Stunde 50 Minuten, Keine Pause Aufführungsrechte: Suhrkamp Theaterverlag, Berlin Premiere Am 23. Februar 2019 Im Opernhaus
 
Besetzung:
Dr. Wolfgang Anders, Softwareentwickler Für Künstliche Intelligenz: Martin Petschan
Thomas, Sein ehemals bester Freund: Alexander Peiler
Dr. Rufus Schroth, CEO der Bimini Defence AG: Stefan Walz
Regina Schroth, Ehefrau von Rufus Schroth: Lena Vogt
Max Bautz, Softwareentwickler., Arbeitskoilege von Wolfgang: Konstantin Rickert
Bianca Schäfer, Geschäftsführerin Kommunikation der Bimini Defence AG: Julia Reznik
Milena Kerber, Tänzerin, ehemalige Escort-Dame, Wolfgangs Freundin: Julia Meier
Eugen Pflingst, Thomas' Onkel, ehemaliger Pfarrer: Miko Greza
Peter Anders, Wolfgangs Vater: Miko Greza
Gisela Anders, Wolfgangs Mutter: Lena Vogt
 
Inszenierung: Esther Hattenbach – Bühne: Marlene Lockemann – Kostüme: Annemie Clevenbergh - Video & Musik: Kathrin Dworazek – Dramaturgie: Barbara Noth – Regieassistenz: Jonas Willardt
 
Weitere Informationen:  www.wuppertaler-buehnen.de