Konventionelles Kino mit ein paar darstellerischen Meisterleistungen

„Die Frau des Nobelpreisträgers“ von Björn Runge

von Renate Wagner

Die Frau des Nobelpreisträgers
(The Wife - GB, Schweden, USA 2017)

Regie: Björn Runge
Mit: Glenn Close, Jonathan Pryce, Christian Slater, Max Irons u.a.
 
Die Schriftstellerinnen sind los. Nur daß Mary Shelley und Colette, die so sehr um ihre Anerkennung kämpfen mußten, „echt“ waren. Die „Frau des Nobelpreisträgers“ ist hingegen eine Romanfigur, das macht sie schon ein bißchen weniger stark. Und außerdem – das Motiv von „Cherchez la femme“ auch in dem Sinn, daß die Frauen in aller Stille die Arbeit des Mannes tun, war schon des öfteren da. Wer schrieb denn die Zeitungsartikel von „Bel Ami“ bei Guy de Maupassant? Doch wohl Madame Forestier, wenn man sich recht erinnert.
In diesem Film über den „großen“ (fiktiven) Joe Castleman und seine Frau Joan, die – wie üblich – im Hintergrund waltet, wird das schon recht ältliche Ehepaar im Bett von einem Anruf aus Stockholm überrascht: Es ist kein Scherz, er hat den Nobelpreis für Literatur zuerkannt bekommen. Seltsam, wie starr die Ehefrau die Nachricht hinnimmt, während er hüpft vor Freude.
Schon da kann man sich gänzlich vorstellen, worauf der Roman „Die Ehefrau“ von Meg Wolitzer hinausläuft, den der schwedische Regisseur Björn Runge hier als seinen ersten englischsprachigen Film gedreht hat – sensibel, kein Zweifel, mit Sorgfalt an den brillanten darstellerischen Leistungen seiner Protagonisten arbeitend. Aber gegen die schlichte Klischiertheit und Vorhersehbarkeit der Geschichte kann er auch nichts tun.
Die Handlung läuft doppelgleisig: Die Fahrt nach Stockholm, der Wirbel um den Preisträger, das hohe Lob seines außerordentlichen Romanwerks. Und die Rückblicke, wo man ihn als den jungen Collegeprofessor erlebt, der zwar verheiratet ist, sich aber an seine Studentin heranmacht (soll vorkommen). Bloß – sie ist hochbegabt, also will er sie ein bißchen herunterdrücken. Und sie? Sie verliebt sich in ihn und läßt es geschehen.
Große Partys in Stockholm, alles läuft bestens für die Familie, die Tochter zuhause erwartet ihr erstes Kind, der Sohn ist nach Schweden mitgekommen. Er scheint allerdings nicht ganz glücklich mit dem Vater, weil dieser die literarischen Erzeugnisse des Nachkommen offenbar nicht einmal ansehen will. Wie immer muß die Mutter versuchen, hier auszugleichen und zu entschuldigen.
Wird es ein bißchen dramatisch, wenn ein Enthüllungsjournalist herumschleicht und über den Nobelpreisträger ein Buch veröffentlichen will? Nein, es gibt nur der Gattin eine wunderbar souveräne Szene, ihn mit all seinen Psychotricks, die er zwecke Informations-Findung ausspielt, im Regen stehen zu lassen.
 
Die Rückblenden bestätigen es dann: Der Professor hat die Studentin geheiratet (wir erfahren, daß die erste Frau herzlich froh und dankbar war, ihn los zu werden), zwei Kinder, seine Karriere als Romanautor: An der Schreibmaschine sitzt sie und schreibt die Meisterwerke. Und erhebt nie irgendwelche Ansprüche auf Anerkennung ihrer geistigen Leistung. Weil sie ihn liebt. Weil sie noch aus einer Welt kommt, wo Frauen sich im Hintergrund hielten – egal, wie überlegen sie waren. Oder gerade, weil sie überlegen waren?
Die Lage in Stockholm spitzt sich ein bißchen zu, die souveräne und gelassene Ehefrau wird nur ärgerlich, wenn der vor Stolz geblähte Gatte und umschwärmte Star mit jungen Anbeterinnen herumflirtet, während sie im Hotelzimmer seine verstreuten Kleidungsstücke aufhebt. Und es ist hohe Zeit davon zu sprechen, was diesen Film wenn schon nicht außerordentlich, so doch in hohem Sinn sehenswert macht: Glenn Close, mit kurz geschnittenem Weißhaar und der Art von undurchdringlicher Miene, mit der die ganz großen Schauspielerinnen dem Publikum dennoch erzählen, was in ihnen vorgeht. Nichts Gutes, wenn man irgendwann verinnerlicht hat, wie wenig von dem Gatten zu halten und zu erwarten ist – und wenn man dennoch loyal und anständig genug ist, das mühsam aufgebaute Gebäude nicht zusammen fallen zu lassen… Eine Leistung, die ganz aus der Stille kommt und ganz tief unter die Haut geht.
 
Jonathan Pryce hingegen sprudelt, badet in der eigenen Bedeutung, ist der Meister der Schaumschläger und großartigen Worte, sieht eigentlich gar nicht ein, daß nicht er es ist, der diese Werke geschrieben hat… hat er nicht immer gute Ratschläge beigesteuert? Das schlechte Gewissen unterdrückt er ja schon seit Jahrzehnten meisterhaft. Er ist der Mann, an dem man sich reibt, wenn man ihn kennt, und den man fast bewundert, wenn man nur die Fassade sieht.
Da sind noch Christian Slater als der schmierige Journalist wie er im Buch steht, da ist Max Irons als der Sohn, der nur Enttäuschungen durch den Vater erlebt, da ist Alix Wilton Regan als die schwangere Tochter – und in einer kurzen Szene in der Vergangenheit Elizabeth McGovern als Schriftstellerin, die Joan rät, jeglichen Versuch von Eigenständigkeit zu unterlassen: In einer Welt von Verlegern, Lektoren und Kritikern würde man nur mitleidig, verächtlich, kopfschüttelnd auf sie als Frau herabsehen.
So war es vielleicht. Was uns interessieren muß ist, was davon noch heute gilt. Im übrigen: konventionelles Kino mit ein paar darstellerischen Meisterleistungen.
 
 
Renate Wagner