Ich geh mal duschen...

„Tour de Farce“ von Kingsley Day und Philip LaZebnik

von Frank Becker

Kammerspiele Hamburg, Tour de farce - Foto © Bo Lahola / Anatol Kotte

Ich geh mal duschen…
 
„Tour de Farce“ von Kingsley Day und Philip LaZebnik
(Hamburger Kammerspiele)

Regie: Axel Schneider – Ausstattung: Birgit Voß, Ricarda Lutz - Musik: Mathias Christian Kosel – Dramaturgie: Anja Del Caro - Regieassistenz: Chiara Beaud
Mit: Caroline Kiesewetter (Rebecca Gladney, Pam Blair, Gwenda Hill, Schwester Barbara, Nina) – Tim Grobe (Herb Gladney, Senator Grant Ryan, Gunnar Gustafson, Bill Deliah Ryan)

Den Bergischen Menschen am frühen Sonntagabend in eine Farce zu locken ist nicht leicht. Dennoch war der Saal des schönen Remscheider Teo Otto Theaters (übrigens das schönste Theater in gesamten Bergischen Land) erfreulich gut besetzt, als vorgestern die Hamburger Kammerspiele mit ihrer Inszenierung der „Tour de Farce“ dort gastierten. Nun haben die Namen Caroline Kiesewetter und Tim Grobe aber auch Gewicht, nicht nur als Schauspieler, sondern auch als Sänger. Wuppertaler Theaterbesucher werden sich an Tim Grobes glänzenden Auftritt als singender Bürobote/Eros Ramazotti in „Sekretärinnen“ erinnern, Caroline Kiesewetter hat sich als Jazz-Chansonniere mit ihren Alben Ich packe meinen Koffer und Mal laut, mal leise nachhaltig in Position gebracht. Also gute Voraussetzungen für ein Zweipersonen-Stück, das zwei Schauspieler von Rang mit guten Singstimmen braucht.


Herb und Rebecca - Kammerspiele Hamburg, Tour de farce - Foto © Bo Lahola

Kingsley Day und Philip LaZebnik haben in der Tradition der modernen Farce von z.B. Georges Feydeau, Dario Fo und Michael Frayn dieses turbulente Verwechslungsspiel mit drei Türen und einem geräumigen Wandschrank geschrieben, in dem Caroline Kiesewetter und Tim Grobe in zehn Rollen glänzen. Mathias Christian Kosel hat das Stück mit  Songs ausgestattet, von denen einige verzichtbar gewesen wären, aber „Viel zu sehr verliebt“, die Badezimmer-Eifersuchts-Oper und Gunnars (s.u.) Schweden-Arie rissen das lachtränentreibend wieder raus.
     Die Wege von sechs Frauen- und vier Männer-Figuren kreuzen sich in einem Hotelzimmer. Der Autor Herb Gladney und seine Gattin checken auf ihrer Promotiontour für sein Buch „Ehe währt für immer“ in einem Hotel irgendwo in den USA ein. Das Gepäck fehlt noch, weshalb Herb etwas nervös im Bademantel die Zeit herumbringen muß. Während der Arbeit an dem Bestseller ist das Feuer der eigenen Beziehung längst erloschen, was die Öffentlichkeit, zumal die Sensationsreporterin Pam Blair des lokalen Fernsehsenders, natürlich nicht wissen darf. Gladneys kapriziöse Frau Rebecca wahrt den schönen Schein auf sein Flehen nur noch aus Tantieme-Gründen. Wer kann nun ahnen, daß zu gleichen Zeit der der korrupte Senator Grant Ryan, Rebeccas Jugendliebe,  für ein Schäferstündchen mit der rothaarigen Sexbombe Gwenda  die Nachbarsuite (mit Verbindungstür) bezieht?
Pam Blair postiert ihren schwedischen Kameramann Gunnar im Wandschrank, um „ihre Story“ zu bekommen, und um das Chaos perfekt zu machen, treten noch eine singende Nonne, ein Stubenmädchen als diebische Elster, ein erpresserischer Hotelpage und eine recht handfeste betrogene Ehefrau auf. Eine irrwitzige „Klopf, klopf… Tür auf, Tür zu“-Geschichte mit allen Klischees der Screwball-Komödie voller Insider- und Binnen-Gags, in der rasend viel geduscht wird, kann beginnen.


Gwenda und Grant - Kammerspiele Hamburg, Tour de farce - Foto © Bo Lahola

Caroline Kiesewetter und Tim Grobe bewältigen die etwas mehr als zwei Stunden mit pausenlosen Kostüm-, Stimm und Perücken-Wechseln höchst amüsant und in unerhörtem Tempo, verlieren keinen der vielen aufgezogenen Fäden und ziehen ihr Publikum – auch durch gelegentliche Blicke hinter die Kulissen per TV-Schirm - mehr und mehr in Irrwitz hinein, bis am Ende die völlige Auflösung aller Formen ein versöhnliches Ende einläutet.