Das ideale Gleichgewicht

Tim Grobe verläßt das Schauspiel Wuppertal

von Frank Becker

Tim Grobe in Martin Luther King - Foto © Klaus Lefebvre
Das ideale Gleichgewicht
 
Hilde Kammer als eiserne Sprecherzieherin, Angelika Domröse und den „Sprechpapst Ost” Egon Aderhold nennt Tim Grobe ohne Zögern, wenn man ihn noch seinen bedeutendsten Lehrern fragt.
 
In den drei Jahren am Wuppertaler Schauspielhaus hat er den Beweis für das Resultat seiner Ausbildung geführt. Sein großes Talent und die Hochschule der Künste Berlin (HDK) haben einen Ausnahme-Schauspieler geformt. Die markante Stimme, sein unaufdringliches Spiel und seine Haltung haben Akzente gesetzt.
1969 in Duisburg geboren, hat Tim Grobe nach Abitur und Zivildienst zunächst in Köln Germanistik und Niederlandistik studiert, bis seine „Bewerbungs-Tour-de-force“ von Erfolggekrönt war. Die HDK Berlin nahm ihn auf, ein Grundstein für eine vielversprechende Bühnenkarriere. 1996 stellte ihn das erste Engagement in Zürich in „Wölfe und Schafe“ gleich neben Maria Becker. Holk Freytag sah ihn dort und holte ihn nach Wuppertal, wo er als singender Bürobote in „Sekretärinnen“ seinen Einstand gab. „Ein Hammer“, erinnert er sich lachend.
Von den vielen Rollen sind unter anderem Jean Passepartout aus „In 80 Tagen um die Welt“, der Koby (im Zusammenspiel mit Cornelia Schindler als Toby) im „Besuch der alten Dame“ und Philinte im „Menschenfeind“ noch in guter Erinnerung. Zuletzt sah man Grobe als Martin Luther King und meisterhaft als zerrissenen Aram in „Beast on the Moon“.

Tim Grobe sucht beim Spiel nach dem idealen Gleichgewicht. Er ist der Meinung, daß man nicht unterfordert sein kann, wenn man einen Schauspielauftrag ernst nimmt. Grobe: „Man muß eine Demutsgrenze beim eigenen Tun betrachten“. Der Erfolg spricht für die Richtigkeit dieser Einstellung, zu der auch der Mut zum Scheitern gehört.
Der Privatmann Grobe hält sich vom „Klüngel“ fern, „kommt ganz gut mit sich allein zurecht“, sagt er. Zum körperlichen Ausgleich treibt er seinen früheren Leistungssport weiter, das Schwimmen. Der geistigen Abwechslung dient die Lektüre zeitgenössischer niederländischer Autoren wie Cees Nooteboom und Connie Palmen, und er gönnt sich ab und zu eine Oper, liebt Wagner und Monteverdi. Shakespeare schätzt er, Anselm Feuerbach und die Renaissance-Malerei, er nimmt das Essen ernst und raucht Gauloise. Er haßt das Ausgeliefertsein beim Zahnarzt und andere Situationen, die er nicht kontrollieren kann. Zudem hat er Humor - was durchaus zu seinem ernsthaften Wesen paßt. Über Witze lacht Tim Grobe nicht, selten über Komödien, aber über Dinge, die einfach passieren.
 
Noch einmal wird er in Wuppertal, ab dem 26. Mai, in einer Inszenierung spielen: Den Ruprecht in Kleists „Der zerbrochne Krug“. Dann nimmt er Abschied von Wuppertal. Das Schauspielhaus Köln wird seine nächste künstlerische Heimat sein. Er freut sich darauf.
Dafür alles Gute.
 
Frank Becker, 25.4.2000