Blues frei Haus im Rex-Theater

Paul Millns mit Blues und Balladen

von Frank Becker

Foto: Veranstalter

Blues frei Haus im Rex-Theater
 
Paul Millns mit Blues und Balladen
 
Wir wissen es alle, wie man sich einem solchen Tag fühlt - einem, an dem einfach alles daneben geht und eine graue Wolke nicht weicht. Man bekommt den Blues - frei Haus. Paul Millns, der englische Singer-Songwriter, Pianist und Poet stieg rollend und stampfend mit dem Honky Tonk-Blues seines Openers „Free Delivery of the Blues“ in sein Programm im bis auf den letzten Platz besetzten intimen Kleinen Haus des Rex-Theaters ein.
     Doch wie schön das Leben dafür an einem herrlichen Sommertag ist, erzählt er auch mit der typisch leicht heiseren Stimme voller Empfindung und Ausdruck. „Lovely Day“ beschreibt das Lebensgefühl unter blauem Himmel und wärmender Sonne. Millns tupft diese positiven, lebensbejahenden Bilder so gefühlvoll, daß man sie sehen und ihren Duft atmen kann. Ganz neue Songs, neu arrangierte alte Hits seiner jüngsten CD „stories I could tell“ und einige Titel der CD „Footsteps“, Lovesongs und schnellen Boogie hatte er zu einer bekömmlichen Mischung zusammengestellt, die jedem gerecht wurde. Fetziger Spaß stand neben sanfter Ballade, Melancholie neben Lebensfreude - und die setzt sich bei Paul Millns im Gesamteindruck durch. Oft wird er verglichen, Namen wie Randy Newman, Joe Cocker oder Tom Waits stehen im Raum. Millns aber ist Millns, so wahr, doch nicht so bitter wie Newman, nicht so gebrochen wie Cocker (der übrigens, könnte er Klavier spielen, das so täte wie Paul Millns) und von der Tiefe, die auch Waits hat. Er ist dabei sehr britisch, was bitte als Kompliment verstanden werden will, voller Humor und sympathisch in seinen kleinen Geschichten, die er mit und zwischen den Liedern ausmalt.
     „Rats on your tail“ erzählt im hämmernden Rhythmus von den Leuten, die notorisch alles besser machen als Du. Kennt man. Von tiefer Melancholie erfüllt, entlarvt Millns die große Lüge, daß das Leben ein bequemer Ritt sei und bekennt in „No donkey ride“, daß es die kleinen Lügen sind, die am meisten schmerzen. Er geht tief unter die Haut, läßt träumen, traurig sein und tanzen. Millns singt über Lebensgefühle, so über das faul sein in „Lucky Joe“, einem wunderbaren Chicago-Stil-Blues, über das nächtliche Soho seiner Heimatstadt London und über die Liebe, immer wieder die Liebe. Seine Liebesballaden gehen ans Herz, man spürt die Wahrhaftigkeit der Texte. Da wird in „Who can really tell?“ die Frage gestellt, ob eine Liebe zwischen zweien, die sehr unterschiedlichen Alters sind, leben kann. „Midnight run“ berichtet von einer zerbrochenen Liebe, die Trennung und den Schmerz dabei: „Not long ago those two were lovers“, „Don't wait too long“ ist der telefonische Wunsch an die entfernte Geliebte. Sanft und eindringlich offenbart Millns Gefühle - und manch eine(r) wird sich selber darin finden. Ein bewegendes Liebeslied, eine schöne Ballade ist „I wanna be back in your mainstream again“, in der sich ein Mann nach der einzig wahren Liebe zurücksehnt, die allein die Narben heilen kann, die er trägt.
     Nach mehr als zweieinhalb Stunden voller Musik und dem Gefühl, unter Freunden zu sein, verließ Paul Millns nach einem großzügigen Zugaben-Block mit der schönsten Ballade sein begeistertes Publikum: „When love comes (open the door)“. Ein Appell.
Einen neu aufgenommenen Querschnitt seiner Songs 1975-95 gibt es unter dem Titel „stories I could tell“ beim Solinger Label Valve Records unter Valve 5082 (www.valve-records.com ), das Album „Footsteps“ bei Acoustic Music Records (www.acoustic-music.de )
 
Frank Becker, 30.1.2003