Seife

von Erwin Grosche

Foto © Harald Morsch
Seife
 
Ich habe mal eine Seife in der Badewanne verschwinden sehen. Sie hüpfte ins Wasser und löste sich vor meinen Augen auf. Da bin ich gleich aus der Wanne gestiegen. Das tue ich mir nicht an. Da trockne ich mich lieber ab und hoffe, es macht auch sauber.
     Natürlich, ein Handtuch, das mich abtrocknet, kann mich auch gleichzeitig säubern, wo leben wir denn? Ich schmecke doch auch, wenn ich esse, und träume und schlafe zur selben Zeit.
     Ein Handtuch ist kein Erfrischungstuch. Ein Handtuch hat mich so lange abzutrocknen, bis es naß ist. Und besser das Handtuch ist naß als ich.
     Es gibt Seifen, die sind so aerodynamisch gestylt, die flutschen einem sofort aus der Hand, wenn man sie packen will. Eine solche Glitschigkeit ist keine gute Seifeneigenschaft und Weglaufen keine Lösung, selbst wenn man Dreck am Stecken hat.
     Die frische Fa zum Beispiel ist so gestylt und so höchstgradig glitschig, die flutscht einem sofort aus der Hand und schnellt zwei-, dreimal über die Wasseroberfläche, bevor sie versinkt und den Füßen ihr fehlendes Fangvermögen demonstriert.
     Ich kenne Menschen, die waschen sich mit der frischen Fa nur, wenn sie Frösche fangen gehen. Mit der frischen Fa kann man am besten üben, wenn man Frösche fangen gehen will. Nicht „flutsch und weg“, sondern „pack und halt“, und das mit beiden Händen. Danach hüpft einem das Herz vor Freude und will immer fort wie ein gefangener Frosch.
     Es ist sonderbar, daß man nach der Berührung mit einem Frosch eher den Wunsch verspürt, sich die Hände zu waschen, als ihn zu küssen. Was schade ist, vielleicht ist der Frosch eine verzauberte Seife gewesen, und man soll doch sparen, wo es geht.
     Ich habe mal eine Seife gesäubert, indem ich sie gewaschen habe. Seifen können auch schmutzig werden, nur spricht niemand darüber. Ich habe mal eine Seife abgetrocknet und wußte nicht, ob das nun normal war oder nicht. Ich habe danach sogar das Handtuch gewaschen, obwohl das Abtrocknen einer Seife nicht schmutzig machen dürfte, sondern im Gegenteil.
     Eine Hand wäscht die andere, auch wenn dann inzwischen einmal das Handtuch zum Abtrocknen fehlen wird, weil es gerade in der Kochwäsche schleudert und auch nicht mehr weiß, wo oben oder unten ist. Das muß man akzeptieren können.
     Ab wann akzeptiert man es zum Beispiel, daß ein Warmwasserstrahl kalt bleibt, obwohl man den Knopf mit dem roten Punkt gedreht hat? Da gibt sich niemand gern eine Blöße, da zieht man sich an und hofft, daß das nichts mit einem selbst zu tun hat. Vielleicht war der Warmwasserstrahl ja heiß, nur selbst war man schon so abgebrüht, daß man das nicht mehr spüren konnte. Ich habe mal vor lauter Abgebrühtheit meine Badewanne überlaufen lassen, weil ich es nicht wahrhaben wollte, daß der Abfluß verstopft war. Bei uns macht immer der mit den längsten Haaren den Abfluß sauber, also ich, deswegen trage ich selbst beim Baden eine Badekappe, um mich vor mir selbst zu schützen.
     Manchmal habe ich Angst, ich sitze in meiner Badewanne und jemand sieht mich dabei, dann würde ich mich vor Scham langsam auflösen
     wie meine Seife in der Badewanne
     wie meine Seife in der Badewa
     wie meine Seife in der Ba
     wie die frische Seife Fa, und dann soll mal einer kommen und versuchen mich zu schnappen, dem flutsch ich doch glatt weg.


© 2001/2008 Erwin Grosche