Beckfelds Briefe

An Peter Frankenfeld

von Hermann Beckfeld

© 1956 Lothar Blanvalet Verlag Berlin
Das Leben in der Manege, im Scheinwerferlicht faszinierte den kleinen Jungen beim Zirkusbesuch so sehr, daß er von zu Hause weglief und den fahrenden Volk folgte. Jahrzehnte später gehörte ihm selbst die Bühne, die Aufmerksamkeit: Peter Frankenfeld, dem großen Showmaster aus einer längst vergangenen Zeit.
 
Lieber Peter Frankenfeld,
ich sehe ihn vor mir, den kleinen, pfiffigen, unternehmungslustigen Jungen aus Berlin-Kreuzberg, dem es in der Familienwohnung zu eng wird, der Luft, der Freiheit braucht. Er hat Angst vor dem Vater, einem besessenen Mechaniker, der verletzt aus dem Krieg zurückkehrt, dem launischen Miesepeter, dem schnell mal die Hand ausrutscht. Er leidet darunter, daß seine Mutter so wenig Zeit für ihn hat, weil sie einen Tabakladen führt.
Der Junge, der eigentlich Willi Julius August heißt, aber die Vornamen nicht mag, will ausbrechen, will auf die Bühne, will unterhalten und wird irgendwann berühmt; er wird der bekannteste Deutsche sein. Peter Frankenfeld, mit seinem echten Familiennamen, allerdings ohne t am Ende. Aus dem Jungen, der Anerkennung sucht und für die Kinder von Kreuzberg Kasperletheater spielt, wird der erste große TV-Unterhalter. Aus dem Realschüler mit schlechten Noten, der den Freunden Geld für seine Vorstellung abnimmt und damit Zaubersachen kauft, wird der gut verdienende Showmaster, der eine teure Villa kauft, plötzlich Schulden hat und sich wieder hochkämpft.
Ihr Leben quillt über vor Geschichten, vor Sketchen, Gags, tosendem Beifall; aber auch vor Enttäuschungen, Rückschlägen, Schmerzen. Es ist fast zu viel, nur schwer zu stemmen für ein einziges Leben, für einen Menschen, der mit 65 stirbt. Sie waren grandios, haben eine Generation zum Lachen gebracht, welcher der Krieg in den Knochen steckte. Sie waren der Radiomann mit den flotten Sprüchen, auch den platten Witzen, der das Fernsehen farbig machte. Sie waren nicht wie viele Ihrer Kollegen, die jeden Schritt auf der Bühne vorher aufzeichneten; Ihre Untertassen flogen durch den Saal und bescherten uns und Ihnen Zufallskandidaten.
Es war nicht die karierte Jacke, Ihr Markenzeichen, die Sie einzigartig machte. Es war das Vertrauen, das wir zu Ihnen hatten. Nie hätten Sie uns betrogen mit vorgetäuschter Improvisation, nie hätten Sie bei aller Schlagfertigkeit und frechen Sprüchen bei Ihren Spielchen einen Kandidaten vorgeführt. Auf der Bühne, da waren Sie die starke Eiche, die Lichtgestalt, selbstsicher, eloquent, bereit für jeden Blödsinn, für jeden selbstgeschriebenen Witz und Sketch. Der Vater, der mit seiner Frau sprechen möchte, aber nur seine Tochter am Hörer hat; der tollpatschige, später betrunkene Peter, der eine Bowle mixen möchte; einfach nur herrlich.
Wir ahnten, daß hinter jedem Auftritt harte Arbeit steckte; daß sich hinter dem starken Mann auf der Bühne ein dünnhäutiger, verletzlicher Mensch mit ganz normalen Schwächen und Eitelkeiten verbarg. Wie haben Sie gelitten, als das ZDF Ihnen nach 45 umjubelten Folgen von „Vergißmeinnicht“ die große Samstagabendshow abnahm und Sie jahrelang nicht mehr im großen Rampenlicht standen. Ich habe mir die Szene des Comebacks angeschaut, den Beginn von „Musik ist Trumpf“, Ihren Neuanfang. Schweren Schrittes kommen Sie die Showtreppe herunter. Zwei, drei Stufen vor dem Bühnenboden bleiben Sie stehen, atmen noch einmal tief durch, drehen den Kopf vom Publikum weg und stammeln etwas von einer Träne der Rührung.
Wie haben Sie sich gefühlt, als die Nazis Sie von der Kabarettbühne holten, zur Strafe für aufmüpfige Sketche an die Ostfront schickten zum gefälligen Sterben? Sie kamen verletzt aus dem Krieg zurück; ist die Geschichte wahr, daß Sie die Ärzte mit einem Zaubertrick überredet haben, Ihnen nicht ein Bein zu amputieren? Wie leer, fast lebensunfähig waren Sie, als Ihre geliebte Lonny an Krebs erkrankte?
 
Lieber Peter Frankenfeld,
wir kannten nur unseren Samstagabend-Unterhalter mit breiter Brust und Berliner Schnauze. Wir kannten nicht den Jungen aus Kreuzberg, der mit einem Zirkus vor dem genormten Leben flüchtete und dafür vom Vater Ohrfeigen abbekam. Wir kannten nicht den erfolgreichen TV-Star, der mit seinem Sohn einen Provinz-Zirkus besuchte. Nach Ihrem Tod hat Thomas die Geschichte erzählt. Sie haben in der ersten Reihe direkt an der Manege gesessen, Sie haben die Künstler angefeuert, waren begeistert, haben geklatscht. Nach der Vorstellung blieben Sie am Ausgang stehen, lehnten an einer Zeltstange, mit dem Rücken zum Sohn, und Ihr Körper wurde durchgeschüttelt von Weinkrämpfen. Die Tränen gehören nur Ihnen. Es ist alles gesagt, alles geschrieben über den kleinen, ehrlichen Jungen, der unser Peter Frankenfeld war. (09.09.2017)
 

Mit freundlicher Genehmigung des Autors und des Verlags Henselowsky Boschmann.
„Beckfelds Briefe“ erscheinen jeden Samstag im Wochenendmagazin der Ruhr Nachrichten.
„Beckfelds Briefe“ gibt es auch in Buchform
 
Redaktion: Frank Becker