Ein Film, der etwas erzählt – und den Kinobesucher umweglos erreicht

„Ben is back“ von Peter Hedges

von Renate Wagner

Ben is back
USA / 2018

Drehbuch und Regie: Peter Hedges
Mit: Julia Roberts, Lucas Hedges, Kathryn Newton, Courtney B. Vance u.a.
 
Themen haben auch ihre Konjunktur. Es gab Zeiten, da konnten die Medien nicht genug von Drogen-Kartellen, Drogen-Schmuggel, Drogen-Dealern und schließlich auch Drogen-Opfern erzählen. Dann war das Thema wohl ausgereizt, heute figuriert es nur noch am Rande – obwohl es zweifellos nichts von seiner Brisanz verloren haben dürfe. Im Kino erscheint das Problem jetzt zweimal hintereinander, wobei die Eltern – einmal die Mutter, einmal der Vater – im Mittelpunkt stehen (und die Söhne Nebenrollen-„Oscar“-reife Studien liefern).
In „Ben is Back“ will Julia Roberts ihren Sohn unbedingt retten, in „Beautiful Boy“ (Filmstart: 21. Jänner 2019) ist es dann Steve Carell, der dasselbe versucht. Zwei besonders bemerkenswerte Filme, weil sie das Thema nicht mit Schmalz auf die Leinwand schmieren und weil sie nicht auf die Tränendrüsen, sondern auf den Verstand des Publikums abzielen.
Gehen wir davon aus, dass die meisten Menschen zwar von Drogensucht wissen, aber gewissermaßen nur aus der Zeitungslektüre, ohne weitere Einblicke, wie sich diese Tragödien für die Betroffenen darstellen – die Süchtigen, die in wachen Stunden erkennen, was sie tun, sich befreien wollen und doch nicht loskommen, die Angehörigen, die in blanker Verzweiflung verharren. Denn eines haben die Filme tragisch gemeinsam: Sie zeigen, daß es keine Hilfe gibt. Kaum einer, der sich aus dem tödlichen Netzt der Sucht befreien kann…
 
In einer amerikanischen Kleinstadt ist Holly (Julia Roberts) die scheinbar glückliche Mutter von vier Kindern. Zwei Teenager, Hautfarbe weiß, hat sie von einem nicht mehr vorhandenen Gatten, von dem man nichts weiß, zwei Kleinkinder, halb farbig, von ihrem afroamerikanischen Ehemann (Courtney B. Vance), der nur beste Eigenschaften zeigt. Alles bestens also – bis Ben (Lucas Hedges) vor der Tür steht. Ben, der älteste Sohn, der eigentlich in einer Entzugsklinik sein sollte, aber offenbar mit der besten Absicht aufgetaucht ist, mit der Familie Weihnachten zu verbringen und wieder ins normale Leben einzusteigen. Schließlich ist er seit 77 Tagen drogenfrei…
Mehrfach wird gesagt, daß man Süchtigen nichts glauben darf. Holly weiß das aus früheren Erfahrungen. Aber er ist ihr Sohn, sie wird alles, absolut alles tun, um ihm zu helfen. Und wenn sie ihm nicht von der Seite weicht, damit er mit keinem seiner früheren „Freunde“ Kontakt aufnehmen kann. Damit es keine Chance für ihn gibt, sich irgendwo „Stoff“ zu besorgen. Damit er keine Möglichkeit bekommt, der Versuchung nachzugeben. Hollys Mann weiß, daß das nicht gelingen kann. Ihre älteste Tochter (Kathryn Newton) weiß es. Der Kinobesucher weiß es. Wahrscheinlich weiß es auch Holly, aber sie will es nicht wahrhaben: Es ist ihr Sohn, den alle fallen lassen wollen. Sie tut es nicht… nicht bis zum Ende.
Man erfährt viel über Drogensüchtige, nicht nur, weil Lucas Hedges die verzweifelten Versuche, sich aus seiner Suche und seinem früheren Leben zu befreien, ebenso überzeugend spielt wie die Begierde nach dem nächsten Trip, der ihn treibt. Wahrscheinlich kann niemand, der sich in dieser Welt herumtreibt, unschuldig bleiben. („Wäre er schwarz, säße er längst im Gefängnis“, sagt sein Stiefvater verbittert.) Kaum ist Ben zuhause, finden sie ihn – die Druggies, seine Kollegen, aber vor allem die Verbrecher, für die er gedealt hat, um sich die Sucht zu finanzieren.
 
Der Film von Peter Hedges (Vater des Hauptdarstellers, sein eigener Drehbuchautor auch) verweilt einige Zeit bei dem verzweifelten Kampf, den Ben und seine Mutter sich liefern: Julia Roberts ist mit permanenter Kraft der Verzweiflung unterwegs, hat einfach atemberaubende Momente, ist großartig wie schon lange nicht. Nach und nach wird der Psychokrieg von Mutter und Sohn zum Krimi, wenn es darum geht, jene Männer zu konfrontieren, die mit Ben noch eine Rechnung offen haben und knallhart auf deren Begleichung bestehen.
Das wird dann auf schreckliche Art spannend und von der Struktur her konventioneller. Dennoch, „Ben is Back“ ist kein Mutter-Sohn-Kitsch und keine kein klebriges Kintopp. Es ist ein Film, der etwas erzählen will – und mit seiner Botschaft den Kinobesucher umweglos erreicht.
 
 
Renate Wagner