Alter Hut mit Feder

Ein Exempel für die Kraft der Muttersprache

von Michael Zeller

Michael Zeller - Foto © Frank Becker
Alter Hut mit Feder
 
Ein kleines Exempel für die Kraft der Muttersprache
und wie tief ihre Wurzeln reichen.
 
Vor kurzem wurde ich gebeten, ein Nachwort zu Karl Mays Roman „Durch die Wüste“ zu schreiben. Auch nach der neuerlichen Lektüre machte ich aus meinem Respekt vor diesem Schriftsteller keinen Hehl und beendete das Nachwort mit einem Kompliment.
„Chapeau, Karl May!“, schrieb ich spontan hin.
Beim Überarbeiten blieb ich an diesem „Chapeau!“ hängen. Ist hier die Verwendung eines Fremdwortes tatsächlich notwendig und also sinnvoll? Nein. Das gute alte „Hut ab!“ tut’s doch auch. Und so verbesserte ich die Stelle.
Erst jetzt, beim Hinschreiben des urvertrauten Wortes „Hut“, kamen mir inhaltliche Zweifel. Wer um des Himmels Willen trägt denn heutzutage überhaupt noch Hut – Männer wie Frauen? Die sind doch vollständig aus der Mode gefallen, dem offensichtlichsten Lackmustest einer Gesellschaft. Man muß zurückgehen in die neunzehnhundertvierziger, -fünfziger Jahre und sich die alten Schwarz-Weiß-Filme aus Hollywood anschauen, mit Humphrey Bogart zum Beispiel, wenn man kapieren will, was ein „Hut“ bedeutet. Kann ich also die Metapher „Hut ab!“ einem zeitgenössischen Leser überhaupt noch zumuten?
Beim französischen „chapeau“ hatte sich mir diese Frage gar nicht gestellt. Es war das seit dem Spracherwerb in frühester Kindheit tief in mir eingesenkte deutsche Wort dazu nötig, um den bezeichneten Gegenstand, durch welche Schaltung im Gehirn auch immer, vor meinem inneren Auge in ein Bild zu verwandeln.
So will es die Veränderungswut der Mode, daß der gute Karl May in meinem Nachwort statt eines Hutlüftens jetzt mit einem zünftig indianischen „Hugh!“ geehrt wird. Und schmücken Federn am Kopf einen Schreiber nicht ohnehin besser heutzutage, da die sinnliche Wahrnehmung von uns Menschen nach und nach in der totalen Verzifferung der Welt verschwindet?
 
Michael Zeller, Juli 2017

NB: Michael Zellers oben genanntes Nachwort zu Karl Mays Roman „Durch die Wüste“ finden Sie heute in unsererer Rubrik Literatur/Rezensionen