Ein Kinder- und Familienfilm - mit einer zauberhaften Emily Blunt

„Mary Poppins´ Rückkehr“ von Rob Marshall

von Renate Wagner

Mary Poppins´ Rückkehr
Mary Poppins Returns / USA / 2018

Regie: Rob Marshall
Mit:
Emily Blunt, Lin-Manuel Miranda, Ben Whishaw, Emily Mortimer, Colin Firth, Meryl Streep, Angela Lansbury, Julie Walters, David Warner u.a.
 
Mary Poppins hat sich Zeit gelassen – aber vielleicht war es auch ein Respektsabstand. Was Julie Andrews 1964, also vor 54 Jahren (!), auf die Leinwand gezaubert hat, ist zu Recht Legende geworden und geblieben. Das war der wahre Zauber, die echte Herzlichkeit, der Charme, der Humor, die liebenswürdige Ironie… kurz, man hatte noch „Herz“, wenn man so etwas in unseren Zeiten noch sagen kann, ohne als Nostalgiker verhöhnt zu werden.
Mary Poppins Rückkehr ist genau das – kein Remake, kein Versuch, die alte Geschichte noch einmal zu erzählen, wenngleich ihr die neue ziemlich gleicht. Sondern eine Fortsetzung im Generationen-Takt. Die erste Geschichte hat im Ersten Weltkrieg gespielt, nun ist man zu Beginn der dreißiger Jahre. Die Geschwister Michael und Jane Banks, die damals als Kinder ihr magisches Kindermädchen Mary bekommen haben, direkt per Regenschirm vom Himmel herab, sind erwachsen geworden. Sie leben zusammen in ihrem Haus, Michael ist Witwer mit drei kleinen Kindern, zwei Jungs, ein Mädchen. Aller Welt geht es schlecht, auch ihnen – und ein böser Bankmanager will ihnen auch noch ihr schönes Heim, das Haus ihrer Familie, abluchsen…
 
Der Film beginnt nicht mit Mary, sondern mit einem Laternenanzünder (Lin-Manuel Miranda, mit einer „Golden Globe“-Nominierung als Bester Hauptdarsteller in der Sparte Komödie/Musical) – und da horcht man schon auf. Ein bißchen enttäuscht. Es klingt so la la, aber nicht bekannt. Schnell wird klar, daß die klassische Musik des ersten Films, jene der Brüder Sherman, nicht verwendet wurde, höchstens anklingt. Die neuen Kompositionen sind brauchbar, aber nicht mehr als Musical-Routine. Nun war auch die originale Mary Poppins ein „Musical“ (und ist als solches auf die Bühnen gekommen, u.a. in Wien) – aber Ohrwürmer mit Mitsing-Qualität sind rar. Das bietet die neue Musik kaum.
Dafür hat Regisseur Rob Marshall – und das kann er wirklich – ein Glitzer-Musical inszeniert (man denke an „Chicago“, seine Meisterleistung), glatt, geschleckt, perfekt. Hinreißend getanzt, ob in der Badewanne, auf einer Porzellanschüssel, ob ein Radrennen durch London, ob ein „Ballett“ der Laternenanzünder. Eine Nummer nach der anderen, eine Show, die „Live“ und „Digital“ virtuos mischt.
Dennoch ist es dank der Besetzung ein „Familienfilm“ geworden, der auf darstellerisch hoher bis höchster Qualität agiert, voran die „ganz andere“ Mary Poppins, die da in Gestalt von Emily Blunt herabschwebt. Im Vergleich zu ihrer Attitüde, die man nur als „sophisticated“ beschreiben kann, war Julie Andrews ja von geradezu triefender Lieblichkeit – Emily Blunt ist tatsächlich die heutige Version, mit gnadenlosem Witz und cooler Überlegenheit. Und doch zauberhaft auf ihre Art.
Die erwachsen gewordenen Banks-„Kinder“ sind mit Ben Whishaw (ein bißchen sentimental) und Emily Mortimer (ein bißchen überforsch) gut besetzt, die drei Kinder funktionieren, Julie Walters ist ein resoluter „guter Geist“ des Hauses, wie man ihn sich vorstellt, und Colin Firth gibt, hochelegant-britisch, den kapitalistischen Bösewicht, wie er im Buch steht.
Es gibt zwei „Drüberstreuer“, die kostbar sind: Meryl Streep als hoch exzentrische „Hexen“-Schwester von Mary Poppins und Angela Lansbury als „Balloon-Lady“ am Ende, wo dann alle in den Lüften schweben. Das soll wieder die heitere, kuschelige Atmosphäre des Kinder- und Familienfilms evozieren. Und wahrscheinlich funktioniert das auch für einen Großteil der Zuschauer – und Kritiker haben ja immer ihre Einwände…
 
 
Renate Wagner