Der schwarze Lack unter dem Totenkopf blättert

Klaus-Jürgen Bremm – „Die Waffen-SS - Hitlers überschätzte Prätorianer “

von Robert Sernatini

Der schwarze Lack
unter dem Totenkopf blättert
 
Bei einigen Unverbesserlichen, die noch immer mit unverständlicher Verklärung auf die „Heldentaten“ und Erfolge der Waffen-SS im Zweiten Weltkrieg blicken, wird diese nüchterne Aufarbeitung der Geschichte dieser Truppe vermutlich kaum ein Umdenken bewirken. Der an sachlicher Information interessierte Leser aber wird durch die sorgfältig recherchierte, kenntnisreiche Untersuchung, die Klaus Jürgen Bremm mit „Die Waffen-SS“ vorlegt, in den Stand gesetzt, den Apparat zu verstehen, der hinter dieser Truppe stand und sie um jeden Preis zu einer Elite machen wollte, die eines Tages der Wehmacht nach dem „Endsieg“ den Rang ablaufen würde. Wie die SS die SA Ernst Röhms, die immerhin Hitler an die Macht geprügelt hatte, am Ende verdrängte und schließlich vernichtete, ist ein Schulbeispiel von politischem Taktieren und innerer Revolution.
Die förmlich aus dem Boden gestampfte Waffen-SS umgibt bis heute der düstere Mythos einer Elite nordischer Herrenmenschen, der Brutalität, der Indoktrination und der Unbesiegbarkeit. Doch in wie weit war die Waffen-SS tatsächlich militärische Elite? Oder waren ihre Divisionen doch nur ganz normale Fronttruppen?
Klaus-Jürgen Bremm wagt eine ebenso kritische wie fundierte Gesamtdarstellung der militärischen Eliteformation. Er schildert die Verfahren der Ideologisierung und die Organisationsgeschichte von den ersten Totenkopfverbänden und der Leibstandarte Adolf Hitler bis zu den schließlich 38 Divisionen der Waffen-SS am Kriegsende, zu denen auch viele Einheiten mit ausländischen Soldaten zählten. SS-Verbände wurden in allen besetzten Ländern und den Verbündeten Staaten rekrutiert, und man nahm es dann auch nicht immer so genau mit dem „nordischen Menschen“. So führten z.B. norwegische und holländische SS-Verbände den „Endkampf“ in Berlin. Bremm fächert detailliert die Operationsgeschichte der SS, ihre tatsächlichen – erfolgreichen wie desaströsen – Kampfeinsätze und ihrer zahlreichen Kriegsverbrechen auf. Er widmet sich neben den Kriegsgreueln der 1946 zur „verbrecherischen Organisation“ erklärten Truppe auch der Organisation der Konzentrations- und Vernichtungslager sowie den späteren Aktivitäten von ehemaligen SS-Angehörigen und Unterstützungsorganisationen in der frühen Bundesrepublik.

Klaus-Jürgen Bremm ist Historiker mit dem Spezialgebiet Militärgeschichte und Publizist. Er veröffentlichte zahlreiche erfolgreiche Sachbücher, unter anderem „Das Zeitalter der Industrialisierung“ (2014), „Die Schlacht. Waterloo 1815“ (2015) und die erste Darstellung zum Deutsch-österreichischen Krieg „1866. Bismarcks Krieg gegen Habsburg“ (2016). In seinem jüngsten Buch „Die Waffen-SS - Hitlers überschätzte Prätorianer“ untersucht er das Werden und Wirken der SS, des in einen germanischen Glorienschein getauchten Schoßkindes der Muster-Germanen Adolf Hitler, Joseph Goebbels und Heinrich Himmler. Bremm durchleuchtet auch die Karrieren von Männern wie Sepp Dietrich, Paul Hausser, Theodor Eicke, Jochen Peiper, Wilhelm Bittrich, Paul Karl Schmidt (al. Paul Carell), Felix Steiner, Hans Jüttner und Wehrmachts-Generälen, die dagegen hielten. Den Ragnarök konnten auch SS-Divisionen mit markigen Namen wie „Leibstandarte Adolf Hitler“, „Totenkopf“, „Das Reich“, „Reichsführer SS“, „Horst Wessel“ oder Wiking“ nicht verhindern. Bremms prägnantes Fazit: Am besten war die Waffen-SS nach dem Krieg.
Für militärhistorisch und zeitgeschichtlich interessierte Leser ist das Buch mit seinem umfangreichen Anmerkungsapparat, einer Liste der Verbände sowie den Literatur- und Namensverzeichnissen eine wichtige Informationsquelle.
 
Klaus-Jürgen Bremm – „Die Waffen-SS“
Hitlers überschätzte Prätorianer
2018 Ver­lag wbg Theiss, 363 Seiten, gwbunden mit Schutzumschlag 26 s/w-Illustrationen, 8 Karten - ISBN 978-3-8062-3793-1
24,95 €  (19,96 € für Mitglieder)
 
Weitere Informationen: www.wbg-wissenverbindet.de