Genetik

von Ernst Peter Fischer

Ernst Peter Fischer
Genetik
 
Von Ernst Peter Fischer
 
Wenn es ein Wort aus der Wissenschaft gibt, das heute nicht nur in aller Munde ist, sondern in allen Zeitungen steht und die Leute aufregt, dann ist dies das hübsche, kleine Wort „Gen“. 1909 ist es zum ersten Mal von einem dänischen Biologen, Wilhelm Ludvig Johannsen, vorgeschlagen worden, der auf Deutsch „Elemente der exakten Erblichkeitslehre“ geschrieben hat. Er wollte die Erbelemente, die ein Mönch namens Gregor Mendel im 19. Jahrhundert zum ersten Mal beobachtet hat, netter formulieren, er wollte ein schönes Wort dafür finden. Das sollte natürlich wieder griechisch sein und rührt von „genus“ her, vom Geschlecht oder von der Generation, vom Erzeugenden. „Erbelemente“, wie Mendel es genannt hatte, gefiel ihm überhaupt nicht. Deshalb hat er das kleine Wort „Gen“ vorgeschlagen. 
   Johannsen war übrigens sicher, daß das Gen die neue Einheit einer neuen, exakten Wissenschaft ist, die man niemals messen könne, wo man nicht sagen könne, ein Gen ist so und so viel Nanometer groß oder wiegt so und so viel Gramm. Das hielt Johannsen für ausgeschlossen, das hielten alle Genetiker der Zeit für ausgeschlossen. Man dachte, daß es eine Art Buchungseinheit ist, mit der das Erbverhalten notiert werden kann, gewissermaßen die Einheit der Vererbung. Das sollte das Gen sein. Johannsen hat ein möglichst kurzes Wort ausgewählt, weil er meinte, daß man das schön kombinieren kann. 
   Dafür bedanken sich heute auch viele Unternehmen, die mit Genen Geld verdienen, Genentech oder Amgen. Sie nutzen das Wort und wir haben natürlich inzwischen auch Genforschung, Genmanipulation - mit dem hübschen kleinen Wort können wir viel anstellen. 
  
Aber Johannsen hat auch noch etwas gemacht, das uns bis heute leiden lässt. Er hat nämlich gesagt, daß das Wort ››Gen« deshalb so schön kurz ist, damit wir es immer für eine Eigenschaft be nutzen können. „Gen“ für die Eigenschaft, blaue Augen zu haben, „Gen“ für die Eigenschaft, ein Mann zu sein, „Gen“ für die Eigenschaft, untreu zu sein. Das hat man ausgenutzt, sodaß heute alle Leute, egal wie dumm sie sind, davon reden, daß es Gene für etwas gibt. Es gibt Gene für das Böse, Gene für das Blöde. Vielleicht erinnern sich einige noch daran, daß irgendwann ein Hauptkommissar Derrick in Pension gegangen ist und der Produzent gefragt wurde, warum man denn nicht den Assistenten von Derrick zum Nachfolger von ihm machen könne. Da hat der Produzent ganz ernsthaft geantwortet, der Assistent von Derrick hätte das „Assistenz-Gen“ in sich, deshalb könne er keinesfalls der Hauptkommissar werden. 
 
Das Gen - eine physikalische Einheit 
 
   So blöde denkt man über das Gen, aber was ist es denn nun wirklich? 
   Es ist zunächst einmal von den Wissenschaftlern untersucht und als ein On entdeckt worden, der auf Elementen zu finden ist, die bei der Zellteilung eine große Rolle spielen, den Chromosomen. Auf den Chromosomen lagen die Gene wie Perlen an einer Kette híntereinandergereiht. Wie Smaıties auf den Schokoladenkuchen, die es beim Kindergeburtstag gibt. Also eins nach dem anderen. Die Gene Waren sozusagen feste Elemente, die man finden konnte, ganz partikuläre Strukturen. Dabei wird im Übrigen die eigentliche Entdeckung der mendelschen Erbgesetze durch Gregor Mendel ausgedrückt. 
   Mendel hatte als Erster im 19. Jahrhundert erkannt, daß Vererbung partikulär vor sich geht. Es muß Erbteilchen, eben Gene geben, Erbelemente. Gen ist nicht Vererbung in dem Sinne, daß etwas gemischt wird oder sich wie Blut oder andere Flüssigkeiten Vermengt. Da müssen ganz konkret lokale, durch irgendeine Struktur gegebene Elemente zu finden sein. 
   Diese wurden im Laufe der 50er- und 40erjahre des 20. Jahrhunderts immer besser erkundet, weil damals die Physiker anfingen, sich um diese Wissenschaft zu kümmern. Tatsächlich hat es in den 1930er-Jahren eine Art „Invasion“ von Physikern in die Genetik mit dem Ergebnis gegeben, daß man das Gen zum Schluß wie ein Atom in der Biologie aufgefaßt und ihm eine molekulare Struktur gegeben hat. So wie in der Physik mit Atomen verfahren wurde.
 
 
© Ernst Peter Fischer
2018 Komplettmedia