Eva Besnyö (1910–2003). Photographin (1)

Eine Ausstellung im Käthe Kollwitz Museum Köln

Red./Bec.

Budapest 1930 © Eva Besnyö

Eva Besnyö (1910–2003). Photographin 

Budapest • Berlin • Amsterdam
21. September – 9. Dezember 2018

Fesselnde Blicke, überraschendes Licht und ungewohnte Perspektiven – die Photographien von Eva Besnyö faszinieren. Im Rahmen des Festivals der Internationalen Photoszene Köln und der photokina 2018 setzt das Käthe Kollwitz Museum Köln seine Photo-Reihe fort und präsentiert mehr als 80 Vintage Prints dieser außergewöhnlichen Photographin aus sechs Jahrzehnten. 
Eva Besnyö erwirbt im Budapester Atelier von József Pécsi ihr technisches Rüstzeug. Berlin öffnet ihr zu Beginn der 1930er Jahre die Augen für die Ästhetik der modernen Photographie. In Amsterdam wird sie zur Meisterphotographin, noch bevor ihr nach der Verfolgung als Jüdin und dem Überleben im Versteck 1948 ein Neustart gelingt.
 
Poetisch-experimentelle Bildsprache

Ihr photographisches Werk ist geprägt vom Aufbruch der Künste in die Moderne – vom Neuen Sehen und der Neuen Sachlichkeit. Zwischen diesen beiden Positionen entwickelt die Künstlerin eine eigene poetisch-experimentelle Bildsprache, die Zeit ihres Lebens Basis für ihr Œuvre bleibt. Bis heute haben ihre Aufnahmen nichts an Modernität und Strahlkraft verloren.

»Eva Besnyös poetische Schwarz-Weiß-Kompositionen sind Ausdruck ihrer persönlichen Bildsprache, mit der sie sich ihre Welt erschlossen hat. Photohistorisch stehen sie in einer Reihe neben den Experimenten von Ilse Bing, Henri Cartier-Bresson, Florence Henri, André Kertész und Germaine Krull.«
(Marion Beckers, Elisabeth Moortgat)


Der Junge mit dem Cello Ungarn 1931 © Eva Besnyö

Mehr als 80 Originalabzüge

Die Ausstellung zeigt überwiegend Originalabzüge – Vintages aus dem Nachlaß der Künstlerin, die sämtliche Stationen ihres Lebens repräsentieren: von den frühen, durch Renger-Patzsch oder Moholy-Nagy inspirierten Detail-Aufnahmen aus Budapest über die experimentellen Berliner Straßenszenen um 1930, die vortrefflichen Portrait- und Architekturphotographien bis hin zur Dokumentation der Frauenbewegung in den Niederlanden der 1970er Jahre.


Starnberger Straße, Berlin 1931 © Eva Besnyö

»Ich hatte nur ein Verlangen: eine gute Photographin zu werden«
 
Eva Besnyö entscheidet sich 1928, im Alter von 18 Jahren, für eine Ausbildung als Photographin – ein damals bei modernen jungen Frauen sehr beliebter Beruf. Ihre Eltern unterstützten ihren Wunsch, auch wenn ihr Vater ein Universitätsstudium für sie bevorzugt hätte. Am 1. September 1928 beginnt sie die Lehre bei dem weltoffenen, im In- und Ausland bekannten Budapester Portrait- und Werbephotographen József Pécsi (1889–1956).
Nur wenig später, in ihrem ersten Ausbildungsjahr, erhält Eva Besnyö ein Geschenk, das sie stark beeindruckt: das 1928 erschienene Photo-Buch Die Welt ist schön des neusachlichen Photographen Albert Renger-Patzsch (1897–1966) mit 100 Sach-, Natur-, Reklame- und Architekturaufnahmen. Angesichts der in Ungarn üblichen malerisch brauntonigen Photographie ist sie begeistert: »Noch nie habe ich die Welt aus solcher Nähe gesehen … Es gab mir eine komplett neue Perspektive.«
Die Aufnahmen von Renger-Patzsch sind nicht nur für Eva Besnyö eine Offenbarung – seine neuartige Sicht auf die Dinge hält Photographen und Photohistoriker europaweit in Atem. Noch ein zweiter Künstler formuliert zu dieser Zeit sein wegweisendes Programm: László Moholy-Nagy (1895­–1946) fordert 1925 in der Schrift Malerei, Photographie, Film einen kreativen Spielraum für ein neues Sehen und verfaßt damit das theoretische Fundament für die konsequente Überwindung der traditionellen Bildsprache. Zwischen diesen beiden Positionen – der Neuen Sachlichkeit und dem Neuen Sehen – entwickelt Besnyö ihre eigene, poetisch-experimentelle Bildsprache.
Begeistert von den Vorbildern geht sie mit ihrer Rolleiflex auf Motivsuche an das Ufer der Donau, versucht sich an Aufnahmen aus steiler Perspektive von schräg oben und an Nahaufnahmen wie jener von dem Korb mit Tomaten – oder sie experimentiert mit langen Schatten, wie bei dem Fingerspiel auf dem Straßenpflaster der beiden Schwestern Eva und Magda. 
 
»Paris ist passé, Du mußt nach Berlin« (György Kepes)
 
1930 verläßt Eva Besnyö ihre Heimat Ungarn, die sie als politisch repressiv und in den Künsten antimodern erlebt. Wie für László Moholy-Nagy, György Kepes und Robert Capa heißt ihr Ziel Berlin – im Gegensatz zu ihren Zeitgenossen, etwa Brassai oder André Kertész, die sich für Paris entschieden.
Die Berliner Jahre zwischen 1930 und 1932 bedeuten für die junge Photographin absolute Freiheit, die sie als »ein vollkommenes Glück« bezeichnet. Zusammen mit ihrem ungarischen Kollegen György Kepes (1906–2001) erlebt sie die modernen Künste und die Offenheit in den politischen Diskussionen als Befreiung von der Enge in ihrer Heimat. Es begeistert sie die revolutionäre Ästhetik russischer Filme, die ihr die Ausdruckskraft der Diagonale im Bild erst wirklich erschließt. An der Russischen Diagonale scheiden sich die künstlerischen Geister der 1920er Jahre in alt und jung, traditionell und modern oder rechts und links.


Murmelspiel, Berlin 1931 © Eva Besnyö


Strandbad Wannsee Berlin 1931 © Eva Besnyö

Von unschätzbarem Wert für ihre spätere Selbständigkeit erweist sich die Erfahrung, die sie 1931 als Volontärin im Atelier für Portrait-, Reklame- und Reportage-Photographie von Dr. Peter Weller sammelt.
In dieser Zeit entstehen ihre experimentellen Portraits, etwa das von György Kepes, die Sommerbilder im Strandbad Wannsee und an der Ostsee, die geheimnisvoll leeren Straßenkreuzungen (Berlin 1931) und der Junge mit dem Cello – Aufnahmen, die inzwischen zu Ikonen der Photographiegeschichte geworden sind.
Mit ihrem Selbstportrait von 1931 sendet sie selbstbewußt die Botschaft: Ich bin mit dem Neuen Sehen vertraut und beherrsche es auch technisch nach allen Regeln der Kunst.
Mit geschärftem politischem Bewußtsein erkennt Eva Besnyö bereits 1932, daß es für sie als Jüdin in Deutschland keine Perspektive gibt. Durch den Hinweis der Agentur Neofot, sie könne ihre Aufnahmen wegen ihres jüdisch klingenden Namens nur noch ohne Namensnennung vertreiben, fühlt sie sich in ihrer Entscheidung bestärkt, Berlin wieder zu verlassen. Ihr neues Ziel ist Amsterdam... 


Magda, Mátyásföld, Ungarn 1932 © Eva Besnyö

Weitere Informationen: www.kollwitz.de
Lesen und sehen Sie morgen hier den zweiten Teil dieses Ausstellungsberichts.

Redaktion: Frank Becker