Südamerika (2)

Südamerika Eine touristische Annäherung für Fortgeschrittene (altersmäßig gemeint)

von Theo Reisner

Puno, Peru - Foto © Theo Reisner

Südamerika
 
Eine touristische Annäherung für Fortgeschrittene (altersmäßig gemeint)

von Theo Reisner

Hunderte Kilometer verläuft das Hochtal jetzt bis zur bolivianischen Grenze - gesegnet ist, wer in einem Reisebus neuer Bauart sitzt. Immer wieder tauchen Hunde wie aus dem Nichts am Straßenrand auf: Sie wissen, daß Knochenreste mitgeführter Fleischmahlzeiten aus vorbeifahrenden Bussen (normalerweise) aus dem Fenster geworfen werden. Paßübergänge auf der „Altiplano“ wie der Abrala Raya mit 4.350 m Seehöhe führen bei schnellen Bewegungen ggf. zur Schnappatmung. Der Reiseleiter empfiehlt „Hineinhören in den eigenen Körper“ und erzählt zur Ablenkung, daß die Lungen der hier lebenden indigenen Bevölkerung einen Liter mehr Blut als die der „Stadtbewohner“ drunten im Tal zur Verfügung haben und die Höhenkrankheit deshalb kein Problem ist. Mit der Grenzstadt Puno weiter in Richtung Chile als Zentrum des überregionalen Schmuggels erreicht man den Titicaca-See auf 3.800 m Seehöhe, der höchste weltweit.



Titicaca-See - Foto © Theo Reisner

Mit seiner Abmessung von 174 mal 64 Kilometern beeinflußt er sogar das Micro-Klima und ermöglicht den einheimischen Taquile-Indianern das ganze Jahr eine ergiebige Landwirtschaft. Berühmt ist der See an der Grenze nach Bolivien vor allem wegen seiner schwimmenden Inseln, auf denen knapp 2.000 Ureinwohner leben und gegen Gebühr erklären, wie man hier mit stürmischer See oder Winter-Einbrüchen umgeht. Mehr als 12 Grad hat er nie, dafür aber drei endemische Fischarten, dies es wirklich nur hier gibt. Für besonders mißtrauische Menschen wird ein Loch in die Binsen gebohrt und schon ist das Wasser da.

 

La Paz, Bolivien - Foto © Theo Reisner

In vier Busstunden erreicht man La Paz. Die Hauptstadt Boliviens ist eigentlich Sucre, hat aber gegen La Paz mit gut zwei Millionen Einwohnern keine Chance, weil inzwischen sogar die Regierung von Sucre dorthin gezogen ist ... eine bewährte Falle für Kreuzworträtsel-Anfänger. Über den Dächern schwebt kreuz und quer eine Gondelbahn mit 32 Stationen, die allererste ihrer Art. Der Erfolg als rasantes Nahverkehrsmittel mit atemberaubender Aussicht garantiert einem österreichischen Lift-Hersteller unendliche Absatz-Möglichkeiten, weil es ganz einfach funktioniert. Weltweit führend ist La Paz auch bei städtischen Interessensvertretungen: Sowohl die größte Kinder-Gewerkschaft als auch jene für Behinderte sind hier zu Hause. Und nur in Bolivien ist ein Drittel des Militärs weiblich. Ein weiterer Rekord ist die Seehöhe des Flughafens am Stadtrand: 3.600 Meter. Sicherheitshalber ist die Startbahn doppelt so lange wie anderswo.

 
La Paz, Bolivien - Foto © Theo Reisner

Beim Weiterflug in die argentinische Hauptstadt Buoenos Aires geht es demnach zügig bergab - bis auf 100 Meter Seehöhe, ein weiterer Kreislauf-Test. In der (sehenswert) modernen Stadt mit kolonialem Zentrum herrscht Hupverbot- herrlich. Auf den 12 Spuren der Stadtautobahn gibt es sowieso weniger Gedränge. Die Mütter während der Militärdiktatur verschleppter Töchter und Söhne umrunden als Ausdruck der Trauer immer noch regelmäßig den Plaza de Mayo. Auch die Geschichten vom Tauschhandel mit verschleppten Leichen prominenter Peronisten sind tragisch-gruselig. Jetzt und heute verwundert die Unbeliebtheit des aktuellen Papstes aus Buenos Aires in seiner Heimat: er soll in Geldwäsche-Affären des Vatikans via Schweiz verwickelt sein.              
Die unzähligen Tanz-Shows in der Tango-Metropole sind arg touristisch, aber trotzdem sehenswert. Die Kombination mit einem „echten“ argentinischen Steak bietet sich an. Rund um das riesige Delta des Rio de la Plata werden Bootsfahrten vorbei an hübschen Wochenendhäusern von reichen Städtern angeboten.

 

Iguazú - Foto © Theo Reisner

400 Kilometer nördlich grüßen die knapp 300 Wasserfälle von Iguazú mit unglaublichem Getöse, wenn sie 80 Meter tief in die „Teufelsschlucht“ stürzen - auf einer Gesamtbreite von gut zwei Kilometern. Auf dem Wanderweg auf argentinischer Seite wird man von neugierigen Nasenbären bedrängt. Auch die brasilianische Seite ist sehenswert, die Grenze verläuft mitten durch das Wasser, auf dem extrem feuchte Bootsfahrten (namens Macuco Safari) eine zusätzliche Perspektive eröffnen.
Jetzt fehlt nur noch Rio de Janeiro als würdiger Abschluß. Für die Seilbahnfahrt auf den Zuckerhut genauso wie für die Strecke mit der Zahnradbahn auf den gegenüber liegenden Corcovado inklusive Blick auf die Stadt mit Buchten wie Copacabana oder Ipamena ist das Attribut „atemberaubend“ angemessen. Das Wahrzeichen der Stadt, der Cristo Redentor mit den 18 Meter weit ausgebreiteten Armen, versinkt - bildlich gesprochen - allerdings im Geschnatter und Ellbogen-Gedränge chinesischer Touristen. 


Rio de Janeiro, Brasilien - Foto © Theo Reisner


Copacabana - Foto © Theo Reisner
      
Auf dem Rückflug über Sao Paulo nach Frankfurt über Nacht entsteht im Kopf - irgendwie vollautomatisch - eine erste Zusammenfassung: Vier durchaus unterschiedliche Länder von klein bis riesig (Brasilien mit 200 Millionen Einwohnern) von ganz niedrig bis zu den Gletschern der Anden (über 6.000 Meter hoch) mit interessanten Begegnungen (Heime für Straßenkinder in La Paz) origineller Küche (z.B. gegrillte Meerschweinchen) bis hin zu den nachdrücklich-prachtvollen Spuren der Kolonialgeschichte mit all ihren Höhen und Tiefen (z.B. die Ausbeutung der Bevölkerung beim Abbau von Gold, Silber, Diamanten und Zinn) - dafür lohnt sich der Aufwand jedenfalls. Bei gut überlegter Vorgehensweise auf einer Fläche von rund 7.500 mal 5.000 Kilometern sind 18 Tage für ein erstes Kennenlernen lehrreich, beeindruckend und weitgehend stressfrei. Für jedes Alter.
Até logo - bis zum Wiedersehen!   


La Paz, Heim für Straßenkinder - Foto © Theo Reisner

 
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 Redaktion: Frank Becker