Südamerika (1)

Eine touristische Annäherung für Fortgeschrittene (altersmäßig gemeint)

von Theo Reisner

Urubamba-Tal - Foto © Theo Reisner
Südamerika (1)
 
Eine touristische Annäherung für Fortgeschrittene
(altersmäßig gemeint)

Von Theo Reisner
 
Meine ersten Weltreisen nach Neuseeland, Burma oder China in den 80ern: ich möchte sie nicht missen. Die Vorbereitung war mühsam, kurzfristige Änderungen gab es andauernd und Schikanen an den Grenzen ebenso. Gut, die unverblümte Aufforderung in Thailand durch einen Zöllner am Flughafen, doch „seinem“ örtlichen Fußball-Club (sofort) als zahlendes Mitglied beizutreten, gehört wohl zu den harmloseren Hürden. Die Wichtigtuerei der Einreise-Behörden in den USA inzwischen schon zu den unangenehmeren. Weil es nicht immer der allerschnellste Direktflug sein mußte, war oft Platz in halbvollen Maschinen für ein kleines Nickerchen im Liege-Status. Und das Zusammenbasteln des Programms vor Ort brachte zumeist deutliche Ermäßigungen. Klassische Reisegruppen beobachteten wir herablassend, obwohl deren Reiseleiter-Schilderungen lauschend - als geduldete Schmarotzer. Die gruppendynamischen weiter-weiter-auf geht’s-Parolen beim Frühstück und an der Hotelrezeption waren nervig, betrafen mich aber ja nie persönlich. Rund 30 Jahre später entwickelten zunächst Studienreisen-Veranstalter eine neue Umgangsform für kleinere Gruppen - mit halbtätigen Pausen u.a. für die Klimaanpassung, regelmäßigen Alternativ-Vorschlägen etwa für besonders Sportliche, Kulturfreaks oder für Anhänger der ganz leichten Muse. Geschuldet vor allem den geänderten Ansprüchen der zahlenden Kundschaft: Sie wollte ganz einfach die Vorteile beider Reiseformen gemeinsam haben. Ob das funktioniert? Das sollte ein Eigenversuch in Südamerika am Beginn der Regenzeit klären.

In der Rubrik „Höhepunkte - ideal für ein erstes Kennenlernen in 18 Tagen“ eines klassischen Studienreise-Anbieters werde ich fündig. Ich buche das Basis-Paket und los geht´s!
 

Lima, Plaza Major -  Foto © Theo Reisner

Lima (Peru), die frühere Hauptstadt von ganz Südamerika, bietet sich als Ausgangspunkt an: Ein riesiges Drehkreuz für internationale Flüge und ein guter Platz, um sich mit der Kultur und Lebensweise dieses gewaltigen Kontinents ein erstes Mal auseinanderzusetzen - nicht allzu weit vom Äquator entfernt. Bei rund 11 Millionen Einwohnern ist ein ortskundiger Reiseleiter jedenfalls hilfreich, zumal die Klima- und Zeitumstellung den Kreislauf schon durcheinanderbringen kann. Beim ersten Rundgang von der Plaza Major aus sieht man koloniale Prachtbauten wie die Kathedrale oder den Erzbischöfliche Palast mit wunderschönen Holz-Schnitzereien. Das Archäologische Museum gewährt spezielle Einblicke in die wichtigen Vorläufer der Inka-Kultur. Der Stadt-Gründer Francisco Pizarro eroberte von dieser strategisch günstigen Gegend aus ab 1532 etwa die Hälfte des Kontinents. Hauptmotiv war die Suche nach dem sagenhaften Goldschatz der Inkas. Edelmetalle in Hülle und Fülle gab es an vielen Orten genauso wie Diamanten. Unglaubliche Mengen von Gold und Silber wurden verschifft - immerhin Ursache für eine erste Hyper-Inflation in Europa.
 
Als nächste Geldquelle erwiesen sich Holz und Zuckerrohr aus Brasilien, eingeführt von den dortigen adeligen Lehnsherren portugiesischer Abstammung. Indirekt auch die „Einfuhr“ vieler Sklaven aus Afrika. Weit mehr Opfer als die zahllosen kriegerischen Auseinandersetzungen forderten allerdings von Europäern eingeschleppte Krankheiten wie Pocken, Masern oder Malaria. Auch Terrorgruppen wie der „Leuchtende Pfad“ stoppten die Weiterentwicklung z.B. in Peru. Der Nobel-Stadtteil Miraflores mit eigenem Strand bietet eine komfortable Unterkunft in neuen Häusern überregionaler Hotelgruppen in Lima und hilft bei der Akklimatisierung nach 12 Stunden Flug ab Europa. Mehr gehupt als in Lima wird übrigens nirgendwo: Auch die ganze Nacht durchgehend ohne Pause. Man gewöhnt sich dran. Die unglaubliche Verkehrsdichte auf bis zu 10 Spuren nebeneinander hat auch Vorteile: Die Zahl der Banküberfälle im Zentrum ist seit den 90er Jahren um 70% zurückgegangen. Angeblich wegen ungeeigneter bzw. fehlender Fluchtwege - ist ja irgendwie logisch. Bei der Korruptionsbekämpfung ist es noch nicht soweit: Zuverlässige Quellen berichten, daß man hier fehlende Führerscheine kaufen kann - und zwar gleich direkt bei der Polizei. Die allgemeine Sicherheit im Großteil von Peru ist auf einen von Bill Gates gespendeten Satelliten zurückzuführen, der u.a. ein erstklassiges Funknetz und viele Gratis-Laptops für Schulen gebracht hat. Eine Stadtrundfahrt kann auch bis zur tatsächlich einmaligen Lehmziegelpyramide Huaca Pucllana mit ihren aktuellen Ausgrabungen außerhalb des Zentrums führen.


Cusco / Sacsayhuamán - Foto © Theo Reisner

Eine gute Stunde dauert nun der Flug in die Inka-Hauptstadt Cusco. Vor allem der goldene Altar in seiner Kathedrale zeugt vom unglaublichen Reichtum seiner Ureinwohner. Neuankömmlinge wurden mit dem Spruch: „Lüg´ nicht, stiehl nicht, sein nicht faul“ begrüßt. Francisco Pizarro hielt sich leider nicht daran und zerstörte diese Hochkultur aus reiner Habgier. Ihre Festungsbauten wie z.B. Sacsayhuamán aus bis zu 12-eckigen Felsbrocken überstanden ein halbes Jahrtausend ohne wesentliche Veränderungen, weil die 50-100 Tonnen schweren Felsblöcke in 70 Jahren Bauzeit ohne Mörtel aufeinander geschoben wurden. Im Bild vom heiligen Abendmahl in der Kathedrale von Cusco befindet sich eine bis heute aktuelle Lieblingsspeise der Landbevölkerung: Gegrillte Meerschweinchen. Wie es unbemerkt auf einen großen Teller gekommen ist, weiß man nicht.


Machu Picchu - Foto © Theo Reisner

Die nahe Gebirgsstadt Machu Picchu erreicht man nur mit einer Schmalspurbahn - sehr romantisch durch das Urubamba-Tal am Fuße der Anden. 1911 entdeckt, dürfte es in der 2. Hälfte des 16. Jhdt. vermutlich beim Eindringen der Spanier einen Baustopp gegeben haben. Es war wohl ein spirituelles Zentrum mit intensiver landwirtschaftlicher Nutzung und vielen, dem Sonnengott geweihten Jungfrauen. Weil es aus der Inka-Zeit keinerlei schriftliche Aufzeichnungen gibt, bleibt die wahre Geschichte der terrassenförmigen Siedlung für ca. 1500 Bewohner ein Rätsel. Erst 1867 entdeckten Landvermesser Teile des Inka-Trails - heute die bekannteste, nur mit Bergführern zugelassene 3-Tageswanderung in Südamerika mit dem Endziel Machu Picchu.


Folgen Sie morgen hier unserem Südamerika-Reisenden im zweiten Teil seiner Reportage

 Redaktion: Frank Becker