Anna Schwartz – Menschen

Eine Ausstellung in Müllers Marionettentheater, Wuppertal

von Sandra Abend

Vietnam - Foto © Anna Schwartz
Anna Schwartz – Menschen
 
Anna Schwartz arbeitet seit 2008 als freie Fotografin für Zeitungen und Magazine. Sie versuchte von frühester Jugend an, leidenschaftlich das Medium Fotografie ganzheitlich in seiner technischen und gestalterischen Dimension zu erfassen.
 
Es fing damit an, daß die kleine Anna im Urlaub die Kamera ihrer Mutter stibitzte und setzte sich in der Schule fort, wo sie die Klassenkameraden in den Mittelpunkt ihres fotografischen Entwicklungsprozesses stellte. Von da an stand für Anna Schwartz fest, die Fotografie zu ihrer Profession zu machen. Bald fand die junge Frau Gleichgesinnte, die ihre Hingabe für das Medium Fotografie teilten. Die flugs gegründete Gemeinschaft nannte sich 3x 20 D, inspiriert von dem Namen einer digitalen Spiegelreflexkamera, die im September 2004 auf den Markt kam. Sie gingen zu Tango-Veranstaltungen oder zu den Auftritten von Improvisationskünstlern, um bewegte Aufnahmen von Menschen in lebendiger Atmosphäre zu machen. Aber es zog sie auch an die stillen Orte der verschwindenden Industriekultur wie die Zeche Zollverein.
 
In Peter Frese fand Anna Schwartz schließlich ihren kompetenten Ausbilder. Mit dem etablierten Fotografen, der auf Architektur und Werbung spezialisiert ist, entwickelte sich schnell ein ideales Team, in dem Anna Schwartz sich auf die Menschen im urbanen Raum konzentrierte und Frese Objekte und Gebäude ins richtige Licht setzte.
 
Noch bevor Schwartz die Ausbildung erfolgreich beendete, kam ein Anruf, der die Zukunft der jungen Wuppertalerin entscheidend beeinflussen sollte. Die Westdeutsche Zeitung war auf die moderne und akzentuierte Bildsprache der talentierten Fotografin aufmerksam geworden. Das stundenlange Experimentieren mit der Tiefenschärfe, die Fokussierung auf das Wesentliche hatten sich ausgezahlt. Mit ihren für den Lokaljournalismus ungewöhnlichen Perspektiven wehte bald ein frischer Wind durch die Seiten der führenden Zeitung im Bergischen Land.
 
Inzwischen arbeitet Anna Schwartz hauptsächlich für die WZ, aber auch Wirtschaftsmagazine und der Spiegel stehen auf der Kundenliste der 35-jährigen. Neben der redaktionellen Arbeit waren und sind für Schwartz aber auch ihre freien Projekte eminent wichtig. Die Themen dafür findet sie vor der eigenen Haustür gleichermaßen wie auf Reisen zur anderen Seite der Erdkugel. Anna Schwatz und ihre Kamera sind eine unzertrennliche Symbiose, daher sind die Exponate der Ausstellung nur eine kleine Auswahl aus tausenden Aufnahmen, entstanden hauptsächlich in Kuba, Vietnam und Guatemala. Charakteristisch für ihre freien Projekte ist die Umsetzung in kontrastreichem Schwarzweiß, für das sie uneingeschränkt schwärmt.

 
 Kuba - Foto © Anna Schwartz

 
 Kuba - Foto © Anna Schwartz

Wer Anna Schwartz kennt, kennt auch ihre Arbeitsweise. Während ihre Mitreisenden es sich im Restaurant schmecken lassen, zieht es die stets ruhelose Fotografin lieber hinaus auf die Straße, in schummrige Hinterhöfe oder auf quirlige Märkte. Auf dieser Weltbühne beobachtet sie unablässig spielende Kinder, arbeitende Erwachsene oder kichernde Teenager, um sie mit technischer Präzision und einfühlsamen Blick abzulichten. Dabei hilft ihr die angeborene Fähigkeit, ohne Scheu auf Menschen zuzugehen, ihnen mit Interesse und Respekt zu begegnen, enorm. Aber gelegentlich hat auch sie mit ihren Motiven zu kämpfen, wie beispielsweise mit der alten Dame aus Vietnam, die als einprägsames Motiv der Einladungskarte zu ihrer Ausstellung ausgewählt wurde. Die ließ sich nämlich erst porträtieren, nachdem zwei Zigaretten als „Honorar“ den Besitzer gewechselt hatten, eine für gleich, eine in Reserve.

Die meisten Menschenbilder entstehen aus dem Gefühl für den richtigen Augenblick, der als Präambel des Decisive Moment, formuliert vom Altmeister des Mediums Henri Cartier-Bresson, Generationen von Fotografen geprägt hat.


Guatemala - Foto © Anna Schwartz

Und oft sind es ausdrucksstarke Menschen, deren Lebensspuren in ihren Gesichtern deutlich abzulesen sind, die Anna Schwartz dazu bewegen, den Auslöser ihrer Kamera zu drücken. Dabei ist der Kontrast zwischen Jung und Alt in ihren Arbeiten augenfällig. Die selbstvergessene Leichtigkeit kindlicher Daseinsfreude kontrastiert mit dem gelassenen Gleichmut des Alters und bilden so ein nuancenreiches Spektrum der Conditio Humana. Dabei richtet Anna Schwartz ihren Blick auch auf das Außergewöhnliche, das Abseitige. Die zurückgezogenen Menschen, die sich selbst nie in den Mittelpunkt stellen würden und die die am Rande stehen. Ihnen schenkt sie eine besondere Aufmerksamkeit, sie werden blitzschnell zu Stars vor ihrer Kamera. Daß die Ergebnisse manchmal auch ein Lächeln auf die Gesichter der Betrachter zaubern, bringt die emotionale Farbe in das monochrome Oeuvre. So etwa, wenn sich Erwachsene in Guatemala neben ihren Kindern in viel zu kleine Schulbänke drücken müssen oder entspannte Mühlespieler auf der Straße ihr Brett elegant auf den Oberschenkeln balancieren. 

 
 Kuba - Foto © Anna Schwartz

 
 Guatemala - Foto © Anna Schwartz

Aber da ist auch der, nie deklassierende oder anprangernde Blick auf prekäre Lebenssituationen, die sich deutlich von den unseren unterscheiden. Die Küchenszene mit Huhn in Guatemala zeugt davon, eine Aufnahme, die nahezu zeitlos wirkt. Die stolze Familie an der qualmenden Feuerstätte erinnert an die Fotografien von Walker Evans, der in den Zeiten der großen Depression die Landbevölkerung in Amerika dokumentierte. 
 
Es ist das Pure, die Essenz des Lebens, die Schwartz einfängt, und damit kann man sie sicher in die Tradition der humanistischen Fotografie einordnen, so wie sie von Robert Doisneau oder, weniger als Fotograf bekannt geworden, Heinrich Zille definiert wurde. Anna Schwartz ist auf dem besten Weg, in dieser Tradition auf sich aufmerksam zu machen.
 
Sandra Abend

Guatemala - Foto © Anna Schwartz


Guatemala - Foto © Anna Schwartz

Anna Schwartz – Menschen
bis zum 1. Dezember 2018; der Eintritt ist kostenlos
Müllers Marionetten-Theater
Ursula und Günther Weißenborn GbR
Neuenteich 80 - 42107 Wuppertal-Elberfeld
Telefon: 0202 / 44 77 66
E-Mail: info@muellersmarionettentheater.de