Merz und Spahn sind die Zukunft von gestern

Ein Kommentar

von Ulli Tückmantel

Foto © Anna Schwartz
Merz und Spahn sind
die Zukunft von gestern
 
Ein Kommentar von Ulli Tückmantel.
 
Der Kampf um die Merkel-Nachfolge läuft. Friedrich Merz und Jens Spahn haben ihren Hut in den Ring geworfen. Die Sympathien, die Merz derzeit auf sich zieht, beruhen sämtlichst auf Bildern von vor anderthalb Jahrzehnten.
    
     Die Frage ist ja durchaus spannend: Was hätte aus der CDU werden können, wenn Friedrich Merz 2002 in der CDU-Bundestagsfraktion eine so stabile Mehrheit gehabt hätte, um ihr Vorsitzender zu bleiben, und Angela Merkel es 2005 nicht mit Ach und Krach geschafft hätte, Gerhard Schröder (immer noch in der SPD) die Kanzlerschaft abzunehmen?
In dieser Vorstellungswelt einer nie aufgegangenen Sonne tröstet sich derzeit ein Teil der CDU, der mit Angela Merkel nie richtig warm geworden ist. Dabei ist die Antwort, was aus einer Merz-CDU hätte werden können, so simpel wie naheliegend: eine Oppositionspartei ohne echte Machtoption.
     Die Sympathien, die Merz derzeit auf sich zieht, beruhen sämtlichst auf Bildern (Steuererklärung auf dem Bierdeckel) von vor anderthalb Jahrzehnten. Zutreffend kommentierte der „Spiegel“ gestern: „Daß er ganz der Alte bleiben und seine Partei in eine gestrige Zukunft führen könnte, ist nur ein Wunschtraum von rechts und links.“ Wahr werden wird er allerdings kaum: Merz hat – was erst recht auch für Jens Spahn gilt – keine Machtbasis im eigenen Landesverband. Er hat nicht einmal ein Bundestagsmandat. So weit wie er wäre seit Rainer Barzel noch nie ein CDU-Vorsitzender von Kanzlerschaft entfernt gewesen.
     Daß der in der Erinnerung seiner Anhänger jugendliche 62-Jährige von einer beeindruckenden Männer-Riege unterstützt wird, die ihre Zukunft ebenfalls lange hinter sich hat, spricht ebenfalls dafür, daß Friedrich Merz eher eine Option ist, die die CDU gar nicht mehr hat. Mit den Worten eines früheren SPD-Kandidaten: Hätte, hätte, Fahrradkette.
Das gilt, auch wenn er selbst es nie verstehen wird, so ähnlich für Jens Spahn, der nach eigener Einschätzung so ziemlich alles kann, zu allem eine Meinung hat und sie auch ständig äußern muß. Das war bisher schon von begrenzter Klugheit und überschaubarem Geschick, aber immerhin ganz unterhaltsam – weil es einen Kontrast zu Angela Merkel darstellte. Fällt dieses Bollwerk weg, an dem Spahn sich öffentlichkeitswirksam reiben konnte, bleibt nicht viel eigenes Profil übrig, an dem die Mehrheit der Partei sich aufrichten könnte. „Merkel muß weg“ ist kein Programm mehr, wenn Merkel weg ist.
     Es spricht für Armin Laschet, daß er am deutlichsten erkannt hat, daß der Vorsitz im traditionellen „Kanzlerwahlverein“ CDU zu einem Zeitpunkt, an dem gar keine Kanzlerschaft neu verhandelt wird, ein Amt von begrenzter Attraktivität ist. Und daß auf dem CDU-Bundesparteitag am 7. und 8. Dezember in Hamburg nicht über die Zukunft der Partei entschieden wird, sondern lediglich der Übergang in die Zeit nach Merkel zu managen ist. Seine Zeit hat Friedrich Merz schon lange verpaßt.
 
 
Der Kommentar erschien am 3. November 2018 in der Westdeutschen Zeitung.
Übernahme des Textes mit freundlicher Erlaubnis des Autors.