Ein herrlich buntes Märchen für ein Publikum, das Romantik liebt

„Der Nußknacker und die vier Reiche“ von Lasse Hallström

von Renate Wagner

Der Nußknacker und die vier Reiche
(The Nutcracker and the Four Realms - USA 2018)

Regie: Lasse Hallström
Mit: Mackenzie Foy, Keira Knightley, Helen Mirren, Morgan Freeman, Jayden Fowora-Knight u.a.
 
Wenn der Disney-Konzern nicht zu Weihnachten die Neuverfilmung von „Mary Poppins“ in die Kinos brächte, wäre der November-Start von „Der Nußknacker & die vier Reiche“ die reine Verschwendung, denn einen idealeren Weihnachtsfilm für Jung und Alt wird es schwerlich geben.
Man denke nur, welche Erfolge die Royal Opera in London alljährlich mit ihren Aufführungen von Tschaikowskys „Nußknacker“-Ballett einfährt. Und nun die Realverfilmung als Fantasy-Märchen… Wobei man Ballettfans auch den Besuch des Films anraten kann, nicht nur, weil die Tschaikowsky-Musik überbordend und stimmungsstark eingesetzt wird und es viele „Tanzszenen“ bei Drosselmeyers Ball gibt, sondern weil immer wieder auch Misty Copeland, die afroamerikanische Primaballerina des American Ballet Theatre, zu sehen ist – im Nachspann sogar in einer „Modern Dance“-Version zur bekannten Musik.
 
Die Geschichte von Clara und dem Nußknacker hat seit ihrem Original aus der Feder von E.T.A. Hoffmann viele Variationen erfahren, und das ist wieder eine, wobei die Drehbuchautoren sehr hübsch und kindergerecht gearbeitet haben. Hier ist Clara, die technisch über die Maßen begabte Tochter einer ebensolchen Mutter, die ein zweites Leben als Königin in einer Zauberwelt hatte. Nach dem Tod der Mutter, die ihr ein geheimnisvolles Geschenk hinterlassen hat, gerät Clara beim Weihnachtsball von Onkel Drosselmeyer in diese magische Parallelwelt, wo sie von einem Nußknacker als Soldaten in Empfang genommen und begleitet wird. Da gibt es nicht nur kleine Mäuse und den riesigen Mausekönig, sondern auch vier Herrscher. Die Könige des Blumen- und des Schneereichs (Eugenio Derbez und Richard E. Grant) sind prächtig geschmückte Herren am Rande, während die Zuckerfee in heftiger Fehde mit „Mutter Ginger“ zeigt, daß man dringend eine neue Königin braucht, die hier Frieden stiftet. Was unserer Clara, vom Nußknacker unterstützt, fraglos gelingt, bevor sie ins richtige Leben zurück kehrt.
Der schwedische Regisseur Lasse Hallström, dessen Karriere lang und bunt (und qualitativ uneinheitlich) ist, hat für diese Geschichte von Menschen und Computeranimation (die gänzlich echt wirkt) die richtige leichte Hand bewiesen. Es geht um Ausstattungsprunk, der sich für seine Üppigkeit nicht geniert, es geht um lustige, möglichst nicht allzu schreckhafte Fantasy-Effekte, und schließlich haben wir es mit einer entschlossenen jungen Heldin zu tun, die Probleme mit Mut und vor allem ihrem Verstand löst.
 
Die 17jährige Mackenzie Foy spielt die Clara. Sie ist sehr hübsch (wenn man auch das Gefühl hat, an ihrem großen Mund und den künstlich-perfekten Zähnen sei trotz ihrer Jugend herumgedoktert worden), und es ist wichtig, daß man ihr auch das kluge Mädchen mit den wirbelnden Gefühlen glaubt. Inzwischen hat Hollywood aus allerlei lautstark verkündeten Protesten gelernt – der Nußknacker ist der junge afroamerikanische Schauspieler Jayden Fowora-Knight mit großen Augen und fesch in seiner bunten Soldatenuniform.
Aber der Clou des Films sind zwei Feen: Da ist Keira Knightley, auf den ersten Blick gar nicht zu erkennen, als die Zuckerfee, die sie als liebliche Monroe-Parodie anlegt, bevor… kurz gesagt, man soll sich von der holden Weiblichkeit nicht täuschen lassen. Vielleicht ist auch Helen Mirren als optisch wahrlich knorrige „Mutter Ginger“ gar nicht die Bösewichtin, wie man zuerst glaubt?
In der realen Welt hat Clara einen liebenswerten Vater, der um seine Gattin trauert (Matthew Macfadyen), während der Onkel Drosselmeyer in Gestalt des wunderbar weisen und humorvollen Morgan Freeman schon in die Zauberwelten hinüber verweist.
Dort ist man, ob jung oder alt, in 100 Minuten Disney-Welt bestens aufgehoben. Sie sind wahrlich die Letzten, die den Mut zu solchen Filmen haben. Und sie würden nicht so viel in Aufwand und Kosten investieren, wenn es nicht ein „romantisches“ Publikum gäbe, das dergleichen auch in unserer Welt noch gerne sieht.
 
 
 
Renate Wagner