Was Sie und mich angeht

Harald Martenstein – „Jeder lügt so gut er kann“

von Frank Becker

Umschlagzeichnung: Rudi Hurzlmeier
Was Sie und mich angeht
 
Harald Martenstein und seine
(nicht immer) heiteren Wahrheiten
 
ZEIT- und Tagesspiegel-Leser haben das beneidenswerte Privileg, die Feuilletons, Glossen, Satiren und Sottisen Harald Martensteins als erste lesen zu dürfen. Seit Jahren publiziert er seine kritischen, nicht immer, meist aber heiteren und stets treffsicher pointierten Wahrheiten dort in seiner eigenen Kolumne. Ab und an ereilt auch den Otto Normalleser das Glück einen „Martenstein“ zu entdecken, wenn ein vom Antiquar versandtes Buch oder das Bio-Gemüse darin eingewickelt war – großes Vergnügen. Vielleicht ahnend, daß nicht jedermann und jedefrau die ZEIT liest und der Tagesspiegel nicht überall erhältlich ist, greift Harald Martenstein gelegentlichen zu einem publikumsfreundlichen und probaten Trick: Er faßt ein ordentliches Konvolut seiner nie mehr als zwei Druckseiten füllenden Texte zu einem Buch zusammen.
 
Ganz frisch liegt im C. Bertelsmann Verlag erschienen eine Auswahl von Kolumnen der Jahre 2015 bis 2018 zu Themen, die uns alle angehen vor: „Jeder lügt, so gut er kann“ und wie gehabt, jeder der 67 Kommentare zum Tages-, Kultur- und Weltgeschehen ist eine kluge, amüsante und oft genug sehr witzige sowie stets hohen Sprachgenuß schenkende Perle. „Martenstein hat keine Angst davor, sich unbeliebt zu machen“, kommentiert der Verlag die Kommentare – und trifft es auf den Punkt. Wo heute viele Journalisten davor zurückschrecken, auch mal gegen den Strich zu bürsten, nicht dem schlanken und vielfach schlüpfrig glatten Mainstream auf der Schleimspur zu folgen, um bloß nicht anzuecken und irgend einem Totschlag-Argument neunmalkluger scheinliberaler Meinungsmacher zum Opfer zu fallen, redet Martenstein Tacheles. Und zwar elegant, vornehm und mit klarer Kante.
 
Das macht beim Schmökern so ungeheuren Spaß, daß man die „Alternativen für Wahrheitssucher“ einfach nicht aus der Hand legen mag, obwohl sich eine tägliche Dosis von zwei bis drei Texten bereits als bekömmlich und nachhaltig erweist. Wenn Sie, wie ich, danach bzw. dabei Martenstein-süchtig geworden sind, gibt es auch Drogen-Nachschub in Form seiner früheren Sammlungen „Im Kino“, „Die neuen Leiden des alten M.“ und „Nettsein ist auch keine Lösung“. Ich jedenfalls habe sogleich meinen Dealer aktiviert und Vorrat gebunkert. Die Weihnachtsfeiertage sind in diesem Jahr lang.  
Aus vollem Herzen bekommen Harald Martenstein und „Jeder lügt, so gut er kann“ für diese  hohe Kunst des Feuilletons unser Prädokat, den Musenkuß.
 
Harald Martenstein – „Jeder lügt so gut er kann“
Alternativen für Wahrheitssucher
 
© 2018 C. Bertelsmann Verlag, 208 Seiten, gebunden, Schutzumschlag von Rudi Hurzlmeier - ISBN: 978-3-570-10337-1
18,- € [D] |  € 18,50 [A] | CHF 25,90* (* empf. VK-Preis)
 
Weitere Informationen: www.randomhouse.de  -  www.cbertelsmann.de